
JAHNZ E I T 13 AUSGAB E F E B RUAR 2022
Für Jahn Stürmer David Otto ging es in seiner Karriere lange
nur bergauf. In den letzten Jahren gab es allerdings Phasen,
in denen es stockte. Die Geschichte eines jungen Fußbal-lers,
der sehr reflektiert ist und nach der nötigen Gelassen-heit
sucht, die ihm die nächsten Schritte ermöglichen soll.
David Otto sitzt während der Länderspielpause Ende Januar
im neuen Funktionsgebäude der Jahn Profis am Trainingsge-lände.
Er nimmt sich viel Zeit, ordnet seinen bisherigen Weg
ein – beim Jahn und insgesamt im Fußball. Wenn er spricht,
wirkt er sehr aufgeräumt, sehr reflektiert. Nicht wie ein gera-de
einmal 22 Jahre junger Fußballer.
Am Wochenende zuvor, bei der Heimniederlage der Jahnelf
gegen Holstein Kiel, durfte er erstmals wieder spielen. 17
Minuten, ein Kurzeinsatz, immerhin. Nach seiner Roten Karte
im Auswärtsspiel beim 1. FC Heidenheim musste der Stürmer
zuvor drei Pflichtspiele aussetzen, genau in diese Sperre fiel
zudem die Winterpause, auch wenn diese dieses Mal sehr
kurz ausfiel. Sieben Wochen
bestritt er dadurch kein Pflicht-spiel
mehr. David Otto hat die
Zeit genutzt, wie er erzählt.
Vollgas im Training, auch mal
mehr gemacht als gewöhnlich.
Mit Individualtrainer Markus
Palionis hat er nach Trainings-ende
manchmal noch zusätz-lich
Torschüsse geübt. 40, 50
Torschüsse mehr pro Woche.
„Bei normaler Belastungs-steuerung
würde das nicht ge-hen,
sonst wäre ich müde oder
das Verletzungsrisiko wäre zu
hoch“, sagt Otto. „In dieser Zeit
war es egal, wenn ich am Wo-chenende
müde war. Für mich
gab es ja kein Spiel.“
Ob die Rote Karte gerechtfertigt war, ob der gegnerische
Spieler vielleicht auch viel aus der Aktion gemacht hat und
es Gelb auch getan hätte? Ob er sich über sich selbst ärger-te?
Überlegungen, mit denen sich Otto nur ganz am Anfang
beschäftigt hat. „Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich
sage, es ist alles scheiße. Das bringt dich aber nicht weiter.
Also habe ich es in positive Gedanken umgewandelt und mir
gedacht: Okay, ich habe einige Wochen Pause. Aber zumin-dest
bin ich dieses Mal nicht verletzt. Ich bin fit und kann
richtig arbeiten, die Zeit nutzen.“
David Otto ist jemand, der immer viel an sich gearbeitet hat,
der immer selbstkritisch war und sich entwickeln wollte. Er
ist in Birkenfeld aufgewachsen, einem kleinen Ort in Baden-
Württemberg, rund 10.000 Einwohner. Er hatte eine gut be-hütete
Kindheit, wie er sagt. Nach der Schule wurde im El-ternhaus
der Freunde am Festnetz angerufen und gefragt, ob
diese denn Zeit hätten. Kommunikation per Smartphone gab
es für ihn damals noch nicht. Es war dieses Unbeschwerte,
das Otto damals viel Spaß gemacht hat. Er hat nicht nur Fuß-ball
gespielt. Handball war die zweite Leidenschaft, auch ge-turnt
und geritten ist er. Basis dafür ist eine sportverrückte
Familie mit zwei Eltern, die selbst Sportlehrer sind und viel
Sport, vor allem Leichtathletik, gemacht haben. Davids jünge-re
Schwester Annika turnt, einer seiner Cousins, Nico Schött-le,
ist Handballprofi in der Bundesliga beim TVB Stuttgart.
Priorität Fußball
Priorität hatte für David Otto dabei immer der Fußball. So-bald
es ging, Otto war da gerade einmal drei oder vier Jahre
alt, fing er beim 1. FC 08 Birkenfeld an im Verein zu kicken.
Die ersten Jahre natürlich nur zum Spaß. Viele Jahre war sein
Vater Dietmar sein Trainer. Nach den Einheiten oder Spielen
haben sie sich immer noch individuell ausgetauscht: Was
war gut, was geht besser? Schnell hat David Otto gemerkt,
dass er zu den talentiertesten Fußballern zählt. Gespielt hat
er damals noch im Mittelfeld. Er hat sich in der Abwehr den
Ball geholt, sich mit zwei, drei Mitspielern durchkombiniert
Foto: Janne
und dann vorne die Tore gemacht. Er kam an den Stützpunkt
und in die badische Auswahl. Hier hatte der Fußball für ihn
erstmals nicht mehr nur mit Spaß zu tun. Der Ton wurde
rauer, die Trainer fordernder. Mitspieler aus dem Verein, die
auch am Stützpunkt dabei waren, verließen diesen wieder.
Otto blieb. „Mir hat es nichts ausgemacht, wenn die Trainer
einmal strenger waren. Ich war ja für mich da, um persönlich
besser zu werden“, blickt er zurück.
Weil Otto bis hoch in die badische Auswahl zu den Besten ge-hörte,
wurden die Profivereine ringsum aufmerksam auf ihn.
Der Karlsruher SC lud ihn zum Probetraining ein, ebenso die
TSG 1899 Hoffenheim. Nach dem Probetraining bei beiden
Clubs war für David Otto klar: Ich will nur nach Hoffenheim.
Trotz mehr als doppelt so großer Entfernung. Der Wunsch
des Sohnes sorgte für größere Diskussionen im Hause Otto,
wie David rückblickend erzählt. Denn der Fahrservice konnte
von den Eltern nicht geleistet werden, mehrmals die Woche
einfach 85 Kilometer nach Hoffenheim und zurück. Doch Da-vid
blieb beharrlich. So lange, bis sich auch die Oma bereit