JAHNZ E I T 23 AUSGAB E MAI 2022
Wie lief die Karriere an?
Es gab Höhen und Tiefen. Ich habe
mit 15 angefangen, mit 18 war ich
schon Profi und Meister in Bosnien.
Das ging brutal schnell. Aber dann
habe ich nicht viel gespielt, weil du
mit 18, 19 nicht so schnell in die
Innenverteidigung rückst, wenn du
gute Konkurrenz vor dir hast. Dann
bin ich in die 2. Liga und immer
weiter verliehen worden. Nummer
drei in der Innenverteidigung hat
mir nicht gereicht, ich wollte spie-len,
weil ich durch den Krieg so viel
verpasst hatte. In meinem letzten
Jahr war ich dann auch bei meinem
Stammverein Stammspieler, ehe ich
dann nach Regensburg gewechselt
bin, wo von der Bayernliga bis zur
2. Liga alles dabei war.
Spieler mit Emotionen: Mersad Selimbegovic (hier im Duell mit Erzgebirge Aue 2008) ließ sich auf dem Spiel-feld
nichts gefallen (Foto: Jahn Archiv).
Warum bist du damals denn zum Jahn gewechselt?
Es lief alles irgendwann anders in Bosnien. Ich musste immer
dem Geld hinterherlaufen. Nach dem Krieg war alles eupho-risiert,
irgendwann begannen sich die Wirtschaftsstrukturen
zu entwickeln, es gab Steuern. Dann hatten viele Vereine
Probleme. Anschließend gab es Zeiten, wo du monatelang
kein Geld bekommen hast. Irgendwann war ich satt davon.
Ich wollte das geregelt haben, wollte mit 23 nicht von meiner
Mama oder Tante Geld kriegen müssen, um meine Rechnun-gen
zu bezahlen. Egal wie viel du verdienst, wenn du fünf
Monate kein Geld kriegst, macht es keinen Spaß.
Dann hast du dir mit dem Jahn in der damaligen Zeit ja ge-nau
den richtigen Verein ausgesucht…
Das stimmt (lacht). Irgendwann habe ich mich gefragt ob es
vielleicht an mir liegt, dass das Geld nicht kommt. Ich muss
aber auch sagen, beim Jahn hat anfangs Geld gefehlt, aber
irgendwann wurde alles ausbezahlt.
Wie war dann das Niveau in Deutschland verglichen mit
Bosnien für dich?
Das ist schwer zu vergleichen. Es gab bosnische Vereine, die
auch international gespielt haben, es wurden Spieler wie
Edin Dzeko herausgebracht. Aber der Schnitt ist vielleicht auf
deutschem Drittliga-Niveau.
Wie hast du den Jahn, die Struktur im Verein, damals wahr-genommen?
Im Vergleich zu Bosnien waren die Bedingungen trotzdem
besser. Hier haben alle gejammert, aber ich war dann am
Weinweg und habe vier, fünf Plätze gesehen und mich ge-fragt:
Was wollen die eigentlich? (lacht) Die ersten Mona-te
waren spannend, es war alles neu. Ich habe mich aber
schnell integriert, habe mich schnell angepasst und mich
auf die Sache voll eingelassen. Dann gab es nur ein Ziel: Ich
wollte mit dem Jahn weiterkommen und unbedingt aufstei-gen.
Das haben wir im ersten Jahr geschafft, haben uns in
der zweiten Saison dann für die 3. Liga qualifiziert. Es war
immer viel los im Verein, aber wir hatten immer einen guten
Kern in der Mannschaft, der den Verein damals mitgezogen
hat. Ohne diese Mannschaft, wo die Leute nicht so aufs Geld
geschaut haben, aber jedes Training und Spiel mit viel Herz
angegangen sind, wäre es nicht möglich gewesen.
Sind dieser Zusammenhalt und der Charakter im Team, die
größte Parallele zu den Jahn Teams dieses und der vergan-genen
Jahre?
Es ist der Garant für Erfolg, wenn du es schaffst, eine Basis lange
zusammenzuhalten und dass das nicht nur zusammenwächst,
sondern sich ineinander verwurzelt. Das ist der Kern jedes Ver-eins.
Wenn das mit den Fans zusammenpasst, sind Dinge mög-lich,
die im ersten Moment als unmöglich erscheinen.
Du hast Zeiten erlebt, in denen ihr im Winter in alten Neun-sitzern
zu Amateurvereinen in der Region fahren musstet,
um dort auf dem Kunstrasen zu trainieren. Wenn du dir
heute anschaust, in welchem Stadion ihr spielt, wie das
Trainingsgelände am Kaulbachweg mit Plätzen und neuem
Funktionsgebäude dasteht: Wie stolz macht es dich, dass
du ein Teil beim Aufbau des Ganzen warst?
Das macht mich schon sehr stolz und gleichzeitig muss ich
mich selbst manchmal zwicken. Der Neunsitzer hat uns nicht
nur zu den Amateurvereinen gebracht, auch die Türe musste
einer mit der Hand halten. Hinten drin hatten wir Schnee-schaufeln,
weil wir die Kunstrasenplätze selbst geräumt
haben. Dennoch hatten wir so viel Freude dabei. Schade,
dass es davon keine Bilder gibt, denn diese würde ich gerne
an die Wände für die Jahnschmiede und Jahn Profis an die