JAHNZ E I T 14 AUSGAB E MAI 2022
Mersad Selimbegovic sitzt in einem Besprechungsraum im
neuen Funktionsgebäude der Jahn Profis am Trainingsge-lände
am Kaulbachweg. Das Gebäude bietet alles, was eine
Zweitligamannschaft zum Arbeiten braucht. Zwei Stunden
nimmt sich der Chef-Trainer des SSV Jahn Zeit für das Ge-spräch
mit der Jahnzeit. Und dabei wird ganz deutlich, dass
für Selimbegovic die Bedingungen nicht wichtig sind. Er hat
nicht nur beim Jahn schon andere Zeiten erlebt, die trotz-dem
erfolgreich waren. Nein, er wurde vor allem durch den
Krieg in seiner Kindheit in Bosnien geprägt. Vom einen auf
den anderen Tag hat er seine Heimat verloren. Das positi-ve
Denken hat er sich aber nie nehmen lassen. Beim Jahn
hat er sich nach seiner Spielerkarriere über den Nachwuchs
bis zum Chef-Trainer der Profis hochgearbeitet. Nun hat er
zum dritten Mal in Verantwortung den Klassenerhalt in der
2. Bundesliga realisiert.
Jahnzeit: Mersad, Ihr habt im fünften Jahr in Folge den
Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geschafft. Musst du
dich manchmal kneifen, weil du weißt, wo der SSV Jahn
herkommt?
Mersad Selimbegovic: Wenn ich einmal Zeit für mich habe
und meine Gedanken ein bisschen sortiere, erwische ich
mich schon manchmal dabei, dass ich denke: Ist das wirklich
möglich, dass wir so lange und unter dem Strich auch sou-verän
in dieser Liga sind? Ich weiß, dass wir vor nicht allzu
langer Zeit ganz woanders waren. Den Weg, den wir gehen,
sehen viele als riskant an. Aber wir schaffen es immer wieder,
eine Mannschaft zu formen, die in dieser Liga bestehen kann.
Diesen Weg müssen wir einfach konsequent weitergehen.
Damit meine ich auch viele Kleinigkeiten, die dazugehören.
Was genau meinst du damit?
Nicht nur den sportlichen Weg, also unser Scouting und das
Rekrutieren von Spielern. Ich meine damit auch den Weg des
gesamten Vereins, die Energie, die wir im Kollektiv entwi-ckeln
können. Einerseits das Bodenständige des Jahn, aber
dennoch auch die Ambition, immer besser werden zu wol-len.
Dabei ist es wichtig, dass wir nicht nach ein paar guten
Ergebnissen glauben, dass wir reif für etwas Höheres sind,
dass wir aber genauso nach ein paar schlechten Ergebnissen
nicht sagen, dass wir gar nichts können. Es geht darum, einen
guten Mittelweg zu finden, den wollen wir weiter verfolgen.
Siehst du denn die Gefahr, dass etwas, das für den Stand-ort
Regensburg nach wie vor nicht selbstverständlich ist,
langsam als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird?
Auf jeden Fall. Das ist mit die größte Gefahr, die hier lauert,
dass wir nicht mehr ganz so heiß auf diese Liga sind. Dass
wir uns auf Gegner wie Paderborn oder Heidenheim nicht
mehr so richtig freuen, dass wir da keine Euphorie mehr ent-fachen.
Das wäre jedoch fatal, wenn man denkt, dass es nur
gegen die ganz großen Namen wie Schalke, Bremen oder den
HSV eine coole Sache ist zu spielen. Der Rest gilt schon als
normal. Aber ich frage: Was ist für uns normal? In dieser Liga
zu sein, gegen Hannover zu spielen? Das ist für Jahn Regens-burg
nicht normal. Ich habe das Gefühl nach fünf, sechs Jah-ren
in dieser Liga, dass es manche als ein bisschen langweilig
wahrnehmen. Das ist die Gefahr, dass du das, was du hast,
nicht mit voller Kraft schützt, sondern nicht mehr zufrieden
bist und immer mehr willst. In diesem Augenblick besteht
die Gefahr, dass du den Boden unter den Füßen verlierst.
Dann fällst du hin. Das kann uns passieren, denn
diese Liga ist Jahr für Jahr unberechenbar, wird
immer stärker und attraktiver. Damit du in dieser
Liga als Jahn Regensburg Spiele gewinnst, muss
immer noch sehr, sehr viel zusammenpassen.
Das ist alles keine Selbstverständlichkeit.
Zumal andere Zeiten noch nicht lange zurück-liegen…
Genau das meine ich. Vor sechs Jahren waren wir
noch in der Regionalliga, da haben wir auswärts
auch bei ganz Kleinen mal verloren oder nur
unentschieden gespielt. Wir haben uns schwer-getan,
im eigenen Stadion Spiele zu gewinnen.
Jetzt spielen wir daheim 1:1 gegen Ingolstadt.
Damals haben wir hier verloren gegen Ingol-stadt
II. Das liegt nur wenige Jahre zurück. Jede
Entwicklung stockt auch mal, wir können nicht
durch diese Liga spazieren, das muss jedem klar
sein. Wir müssen mit unseren Mitteln, die wir
zur Verfügung haben, heiß sein auf jedes Spiel
in dieser Liga, gegen jeden Gegner. Vielleicht
gibt es einen, aber ich kenne zumindest keinen
Verein, der sich so schnell so entwickelt hat wie
Jahn Regensburg. Wir müssen in der Gegenwart
Foto: Janne sein, uns auf diese Liga freuen und uns immer