
JAHNZ E I T 21 AUSGAB E NOVEMB E R 2021
haben. Das hatte der Jahn zuvor noch nie. Man sieht sicher
auch am aktuellen Abschneiden von der U21, U19 und U17,
dass wir da sukzessive unser Niveau verbessert haben. Wir
sind aber ganz klar noch nicht auf dem Niveau, auf das wir
möchten.
Siehst du in der U21 oder U19 Spieler, die das Zeug für die
Profis mitbringen?
Es gibt aktuell einige interessante Spieler, die aber allesamt
heute noch nicht so weit sind, dass sie auf Zweitliga-Niveau
spielen könnten. Diese Spieler haben aber das Potenzial, es
schaffen zu können, wenn sie hart weiterarbeiten, Offenheit
zeigen, Dinge anzunehmen und zu lernen, und dann auch
bereit sind, die angesprochenen Lernimpulse umzusetzen.
Fasse deine Jahn Zeit in drei Worten zusammen…
Ambitioniert, bodenständig, glaubwürdig.
Das sind die Markenwerte des Jahn…
Ja und ich glaube, das beschreibt es ganz gut. Ambition, weil
wir aus dem Nirgendwo gekommen sind. Wir haben uns zu
einem sehr soliden Zweitligisten entwickelt, der wirtschaft-lich
kerngesund ist, der für seine Profimannschaft eine sehr
gute Infrastruktur hat, der einen sehr guten Mitarbeiter-stamm
hat und der in der ostbayerischen Gesellschaft bei
den Menschen wieder angekommen ist, der wieder viele
Menschen bewegt und berührt. Wir haben Ambition gezeigt,
das zu schaffen. Auf dem Weg dahin haben wir uns auch von
Rückschlägen nicht abbringen lassen. Wir haben immer ge-sagt:
Es ist so, wir machen das Beste daraus. Weiter geht’s,
positiv bleiben. Wir waren aber auch bodenständig, weil wir
versucht haben, immer allen auf Augenhöhe zu begegnen.
Anfangs hatten wir ohnehin keinen Grund, jemanden nicht
auf Augenhöhe zu betrachten, da mussten wir froh sein,
wenn jemand mit uns in Beziehung treten wollte. Aber auch
als wir erfolgreicher waren und der Glanz etwas heller schien,
haben wir uns das trotzdem bewahrt und nicht vergessen,
wo wir herkommen. Und wir waren auch sehr glaubwürdig.
In den letzten achteinhalb Jahren konnte man sich auf das,
was der Jahn zugesagt und versprochen hat, durchwegs ver-lassen.
Deshalb glaube ich, dass diese drei Worte meine Zeit
beim Jahn gut beschreiben.
Gab es einen schönsten und schlimmsten Moment?
Ich muss in meiner jetzt anstehenden Auszeit, auch darauf
freue ich mich, viele Momente der vergangenen Jahre noch-mal
Revue passieren lassen. Es gab wenig Zeit, die schönen
Momente zu verarbeiten und länger zu genießen. Natürlich
ist nach Erfolgen Freude da, aber es geht immer gleich wei-ter.
Ich habe mir schon vorgenommen, dass ich im Januar und
Februar, wenn ich mal länger weg sein werde, noch ein paar
Sachen aufschreibe. Momente zu genießen, darüber nachzu-denken,
dafür war echt wenig Zeit. Nicht der schönste, aber
der wichtigste Moment war das Spiel gegen Wolfsburg II. Das
war für mich in den achteinhalb Jahren das Ereignis schlecht-hin.
Nicht nur, weil es uns den Weg zurück in den Profifußball
ermöglicht hat, sondern weil an diesem Spieltag zum ersten
Mal so richtig spürbar war, was am Standort Regensburg mög-lich
ist. Obwohl danach noch sportlich größere Spiele ge-kommen
sind, war in diesem Spiel eine unfassbare Emotion.
Wie das Jahnstadion damals gebrannt hat und es nach dem
Aufstieg explodiert ist, da habe ich gespürt, in breiter Masse:
Okay, Fußball kann wieder in Ostbayern ankommen. Das war
brutal wichtig. Jeder im Stadion vergisst dieses Spiel nicht.
Als schlimmsten Moment würde ich den Abstieg nennen. Ich
hätte ihn gerne dem Jahn, seinen Mitarbeitern und allen Fans
erspart. Trotzdem wusste ich damals, wir haben uns schon
entwickelt, auch wenn es von extern noch niemand gesehen
hatte. Es konnte danach nur besser werden.
Wie denkst du heute an die Situation beim Abstieg 2015?
Ein Stadion, das „Keller raus“ geschrien hat, du hattest in
zwei Spielen sogar Polizeischutz, Plakate in der Stadt, auf
denen schon dein Nachfolger gesucht wurde…
…zerkratzte Autoscheiben und mehr. Ich weiß, dass die Kri-tik
damals keine Kritik gegen mich als Mensch war. Denn die
Leute, die mich kritisiert haben, kennen mich ja gar nicht.
Ich bin in meiner Funktion kritisiert worden und in dieser
Funktion war ich hauptverantwortlich für diesen Abstieg.
Deshalb habe ich in der Funktion zu Recht die Kritik abge-kriegt,
die objektiv gesehen aber nur in Teilen gerechtfer-tigt
war. Als ich damals dieses Plakat gesehen habe, musste
ich schmunzeln und habe ich mir gedacht: Das ist eigentlich
echt gut gemacht, es war kreativ. Das kann man allerdings
leider nicht von jeder Kritik aus der damaligen Zeit sagen.
Es scheint heute so zu sein, dass Menschen bei Kritik oft
keine Grenzen mehr kennen. Das trifft nicht nur mich, son-dern
viele Menschen in öffentlichen Positionen. Aber hinter
jedem Amt steht auch ein Mensch. Das sollte man beim Kri-tisieren
nie vergessen. Ich habe das große Glück, dass ich
sehr stabil und resilient bin. Das liegt unter anderem auch
daran, dass ich früh in meinem Leben gelernt habe, Person
und Funktion zu trennen.
Du hast den Weg des Jahn oft mit einem Marathon vergli-chen.
Wo steht der Jahn nun aus deiner Sicht, wenn du ihn
alleine weiterlaufen lässt?
Im Ziel wäre er, wenn er sein Standortpotenzial komplett
ausgeschöpft hätte. Er ist jetzt vielleicht bei Kilometer 32.
Es fehlt also noch etwas, um ins Ziel zu kommen. Und man
weiß, dass beim Marathon die letzten Kilometer besonders
anstrengend sind. Auch deshalb ist es an der Zeit, die Ge-schäftsführung
zweiköpfig aufzustellen. Den Jahn ins Ziel
zu bringen, ist eine interessante und herausfordernde Auf-gabe.
Im Ziel ist er dann, wenn alles, was hier am Standort
für den Jahn möglich ist, auch ermöglicht beziehungswei-se
abgeschöpft wird. Wirtschaftlich kerngesund sind wir
schon. Die gesellschaftliche Verankerung ist ein Thema, auf
das du permanent einzahlen musst, die kann man sicher
noch ausweiten. Sportlich müssen wir so stabil werden,
dass wir nachhaltig in eine Saison gehen können und sagen,
dass wir, wenn nicht alles gegen uns läuft, mit dem Abstieg