
JAHNZ E I T 15 AUSGAB E NOVEMB E R 2021
Die gesellschaftliche Verankerung ist vorhanden, sie gilt
es aber natürlich weiter zu hegen und zu pflegen, weil sie
ansonsten auch ganz schnell wieder abnehmen wird. So
sind alle Sphären, die aus meiner Sicht relevant sind, im
Moment stabil und exzellent aufgestellt. Deshalb ist mein
Abschied jetzt genau richtig für den SSV Jahn.
Wäre der Jahn nicht so gut durch die Pandemie gekommen:
Würdest du dich jetzt auch verabschieden?
Wenn wir nicht gut durch die bisherige Pandemie gekom-men
und in Gänze so gut dastehen würden, dann würde
ich mich jetzt nicht verabschieden. Ich habe den Zeitpunkt
für meinen Abschied bewusst gewählt, weil ich Ende 2019
den Plan hatte, dass der Jahn nun im Oktober 2021 in allen
Bereichen sehr stabil dastehen soll. Wäre dieser Plan nicht
aufgegangen, dann wäre ich sicher nicht in der größten Kri-se
der Jahn Historie gegangen. Der Jahn hat schon oft Kri-sen
erlebt, er hatte aber noch nie eine Krise, in der er im
ersten Lockdown phasenweise keine Geschäftsgrundlage
mehr hatte oder diese durch den anschließenden Zuschau-erausschluss
massiv beeinträchtigt war.
Du sprichst Krisen an. Davon gab es auch in deiner Zeit
welche, nehmen wir den Abstieg 2015 oder nun eben die
Corona-Pandemie. Was hat den Jahn aus deiner Sicht in
schwierigen Momenten immer ausgezeichnet?
Keller: Im Idealfall gibt es wichtige Eckpfeiler unabhängig
von guten Zeiten oder Krisenzeiten, sodass das, was uns
in Krisenzeiten ausgezeichnet hat, auch das ist, was uns in
guten Zeiten trägt. Unser erster und wichtigster Eckpfeiler
ist eine ganz klare Werteorientierung, eine ganz klare Fo-kussierung
allen Denkens und Handelns auf unsere Mar-kenidentität,
also auf unsere Vision und die dazugehörigen
Markenwerte. Das schafft im Innenverhältnis Zusammen-gehörigkeit,
wenn alle wissen, wo wir hinwollen und wie
wir sein wollen. Es ist auch nach außen wesentlich, denn
auf unsere Markenstrahlkraft sind wir angewiesen, um die
Menschen bewegen und binden zu können. Neben der Wer-teorientierung
ist die Konzeptorientierung äußerst wichtig.
Mache nicht einfach irgendetwas gerade so, weil es oppor-tun
erscheint, sondern agiere – gerade in Krisen – auf Ba-sis
eines klaren Plans. Das trägt dazu bei, dass jeder weiß,
was zu tun ist. Ein Konzept gibt Halt. Der dritte wesentli-che
Aspekt: Anspruchsgruppenorientierung. Versuche, eine
Balance zwischen den Anspruchsgruppen zu finden. Habe
immer ein Ohr an deinen externen Anspruchsgruppen, um
zu wissen, was diese bewegt. Das heißt nicht, dass man die-se
Erwartungen auch komplett erfüllt, das geht in den we-nigsten
Fällen. Denn ein Fußballclub hat sehr viele unter-schiedliche
Gruppen mit unterschiedlichsten Interessen.
Da kann es immer nur darum gehen, eine Balance zu finden.
Der vierte Aspekt, der ist am Schluss essentiell, um die drei
Punkte zuvor überhaupt umsetzen zu können: Gutes Per-sonal,
das bereit und in der Lage ist, den Weg mitzugehen.
Jede Personalentscheidung gehört zu den wichtigsten Ent-scheidungen,
die wir überhaupt treffen – egal ob wir einen
neuen Greenkeeper oder einen neuen Chef-Trainer ein-stellen.
Jede Personalentscheidung beeinflusst, ob wir im
jeweiligen Bereich gut, im Idealfall sogar sehr gut sind, oder
ob wir nur einen „Daily-Business-Job“ machen und dann
vielleicht Schritt für Schritt auch weniger wettbewerbsfähig
werden. Am Schluss gibt die Visitenkarte Jahn Regensburg
nicht der Geschäftsführer, sondern jeder einzelne Mitarbei-ter
mit seinem täglichen Tun ab.
Foto: Köglmeier