
JAHNZ E I T 11 AUSGAB E MÄR Z 2022
Jan-Niklas Beste kam im Sommer 2020 per
Leihe zum SSV Jahn – als Linksverteidiger. In-zwischen
wurde er zum Offensivspieler um-funktioniert
und überzeugte zu Saisonbeginn
mit starken Leistungen. Dann warfen ihn – wie
schon in den Jahren zuvor – Verletzungen zu-rück.
Die Geschichte eines jungen Fußballers,
der früh gelernt hat, mit dem Druck im Fuß-ball
umzugehen und der sich von Rückschlägen
nicht unterkriegen lässt.
Ende August, die Jahnelf ist zu Gast im Millern-torstadion
beim FC St. Pauli. Es ist das erste Mal
in dieser Saison, dass bei einem Spiel der Jahnelf
mehr als 10.000 Zuschauer in einem Stadion
sind. In der 37. Minute, beim Stand von 0:0, wird
es gefährlich vor dem Jahn Tor, am Ende kommt
Leart Paqarada links im Strafraum zum Abschluss.
Doch Jan-Niklas Beste ist herbeigeeilt, geht da-zwischen
und wird von Paqarada mit dem Fuß im
Gesicht getroffen. Beste bleibt liegen, es gibt zu-recht
Freistoß für den SSV Jahn. Die St. Pauli-Fans
pfeifen lautstark. Zwei Minuten später ist es Bes-te
selbst, der im Mittelfeld einen Spieler der Gast-geber
foult. Harmlos, aber für die Fans genügt es.
Es ist der Moment, in dem er die Zuschauer am
Millerntor gegen sich aufbringt – Beste wird fort-an
bei jedem seiner Ballkontakte ausgepfiffen.
Wenn Beste heute an dieses Spiel zurückdenkt,
muss er schmunzeln. Er mag es, wenn im Stadion
eine hitzige Atmosphäre herrscht – selbst wenn
sie gegen seine Mannschaft oder sogar gegen
ihn selbst gerichtet ist. „Man nimmt das auf dem
Platz natürlich wahr. Mir macht es aber nichts
aus, wenn man auswärts mal ausgepfiffen wird –
im Gegenteil, das pusht sogar noch einmal zu-sätzlich“,
sagt Beste und fügt hinzu: „Ich bin froh,
dass ich damit umgehen kann.“
Dass der Außenbahnspieler der Jahnelf mit solchen Situa-tionen,
dass er mit dem Druck im Profifußball gut umgehen
kann, hat seinen Ursprung womöglich schon in seiner Kin-der-
beziehungsweise Jugendzeit. Der kleine Niklas ist gera-de
einmal neun Jahre alt, als er von seinem Heimatverein in
Hamm in den Nachwuchs von Borussia Dortmund wechselt.
Und beim BVB geht es auch im Nachwuchs nur um eines:
Gewinnen. „Da wird dir vor der Saison schon gesagt, dass du
dieses Jahr Meister werden musst“, erinnert sich Beste.
Für ihn war es damals ganz normal. Heute denkt Beste et-was
anders darüber. „Ich kannte es nie anders, bin mit dem
gewissen Druck als Fußballer aufgewachsen. Aber wenn ich
mit anderen Leuten darüber rede, wird mir klar: Das ist nicht
normal, nicht in diesem Alter.“ Wenn Beste über diese Zeit
redet, dann wird klar, was er schon als Jugendlicher für den
Fußball in Kauf genommen hat. So gut wie täglich Training,
Spiele schon damals wenn nötig unter großer Belastung.
„Man wollte sich immer zeigen“, sagt er. Denn im Haifisch-becken
Foto: Gatzka
Leistungsfußball erscheint die Devise relativ sim-pel:
„Entweder du kommst durch oder nicht. Entweder du
schaffst es nach oben in den Profifußball oder du wirst fal-len
gelassen. Diese Spanne ist leider sehr groß“, findet Beste
nachdenkliche und durchaus kritische Worte über das Ge-schäft.
Nur die allerwenigsten Jugendspieler kommen am
Ende im Profifußball an. Beste kennt zahlreiche Beispiele,
die entweder früh Sportinvalide wurden oder die irgend-wann
aus Leistungsgründen durchs Raster gefallen sind.
Beste hat es geschafft, dafür hat er vieles geopfert. „Es gab
für mich in der Jugend eigentlich nur Schule und Fußball“, be-richtet
er. In der Früh ging es aus dem Haus, bis 15 Uhr hatte er
meistens Schule. Zu Hause angekommen, ging es gleich wei-ter
nach Dortmund – in den ersten Jahren wurde er die knapp
40 Minuten lange Strecke von den Eltern gefahren, später kam
er dann mit dem Zug zu den Einheiten. Nach dem Training
war er gegen halb zehn wieder daheim, dann standen noch
die Hausaufgaben an. Wenn Freunde Geburtstag feierten,
Foto: Janne