JAHNZ E I T 15 AUSGAB E JUL I 2021
dass es wieder einen gewissen Wechsel im Team geben
wird, dass Marco Grüttner seine Profilaufbahn beendet,
dass auch Andi Geipl den Verein verlässt, hätte es sich
nicht richtig angefühlt, auch noch die Schuhe an den Na-gel
zu hängen. Jetzt fühlt es sich richtig an. Die Jungs, die
nun in der Mannschaft sind, haben das Zeug dazu, das gut
weiterzuführen und mein absolutes Vertrauen. Sie können
den nächsten Schritt gehen und auch mehr Verantwortung
übernehmen.
14 Jahre in einem Verein – das ist im Profifußball eine ab-solute
Seltenheit. Was war für Dich ausschlaggebend, dass
Du Dich immer wieder für den Jahn entschieden hast?
Letztlich die Vision. Wir hatten hier einen Verein, bei dem
ich immer das Gefühl hatte, dass einiges möglich ist und
man einiges bewegen kann. Da wollte ich meinen Teil dazu
beitragen. Ich habe für mich selbst einmal die Entscheidung
getroffen, dass ich mich gerne in ein Projekt einbringen wür-de,
für das es sich auch lohnt. Wir hatten schon zu Anfang
meiner Zeit extrem viel Entwicklungspotenzial unabhängig
vom Sportlichen. Nachdem Christian Keller zum Verein kam,
wurde das Feuer nochmal richtig entfacht, etwas anpacken
zu können in den nächsten Jahren. Dass es dann so schnell
verlief wie es gekommen ist, ist für mich immer noch sehr
surreal. Da verliert man die Vergangenheit selbst auch mal
aus den Augen. Da ist es immer wieder wichtig, dass man
sich bewusst macht, was hier in den letzten Jahren entstan-den
ist, wie viel Schweiß und Tränen ihren Teil dazu beige-tragen
haben. Mir war es immer wichtig, Teil eines Kapitels
zu sein und nicht irgendwo hinzugehen, wo schon viele
Strukturen professioneller gestaltet waren und dort einzel-ne
Zeilen zu schreiben. Für mich hat es sich immer ange-fühlt,
als hätten der Jahn und ich uns gesucht und gefunden.
Wir hatten immer ein sehr ähnliches Wertekonstrukt, damit
konnte ich mich immer identifizieren. Dass es 14 Jahre zwi-schen
mir und dem Jahn so gepasst hat, das ist schon etwas
Besonderes. Dessen bin ich mir auch bewusst. Dafür bin ich
sehr dankbar und auch demütig, weil ich weiß, wie außer-gewöhnlich
das ist.
Vereinstreue wird im Fußball gefühlt immer seltener…
Letztlich muss das jeder Spieler für sich entscheiden. Für
mich stand nie ernsthaft zur Debatte, den Jahn zu verlassen.
Aber es ist doch auch eine gesellschaftliche Entwicklung, die
sich immer mehr hin zum Ich bewegt. Mancher Spieler geht
dann oftmals den leichteren Weg, wenn Probleme auf ihn zu-kommen
und zieht den Vereinswechsel in Betracht. Für mich
persönlich ist es aber auf jeden Fall erfüllter, wenn man sich
selbst auch mal ein bisschen zurücknimmt und für das große
Ganze einsteht und dazu seinen Teil beiträgt als nur auf das
persönlich Beste zu achten. Ich bin sehr froh, dass ich den
Weg so gegangen bin.
Blicken wir auf Deine Anfangsjahre beim Jahn. Was hat den
Verein damals ausgemacht?
Wir hatten damals Strukturen, bei denen ich gar nicht weiß,
ob Strukturen der richtige Begriff ist. Was uns aber damals
schon ausgezeichnet hat, war eine mannschaftliche Ge-schlossenheit,
dass wir intern in der Mannschaft extrem zu-sammengehalten
und enormen Widerständen getrotzt ha-ben.
Wir waren häufig Abstiegskandidat Nummer eins. Diese
Herausforderung mannschaftsintern zu lösen, war damals
die größte Leistung. Wir hatten immer eine Mannschaft, die
wirklich zusammengehalten hat, die funktioniert hat, die
auch zusammenstand, wenn Gehälter mal ausgestanden
sind, und sich wenn es hart auf hart kam auch gegenseitig
Geld geliehen hat. Das sind Merkmale, die nur wenige Mann-schaften
mit sich bringen.
Jeder kennt die Geschichten, als der Strom und das Wasser
abgestellt wurden. Gibt es weitere Geschichten, die Dir be-sonders
in Erinnerung geblieben sind?
Ich kann mich erinnern, dass wir auswärts in Stockbetten ge-schlafen
oder auf dem Weg vom alten Stadion zum Kaulbach-weg
schon mal eine Tür von einem der Kleinbusse verloren
haben (lacht). Das hat uns als Mannschaft aber immer relativ
wenig ausgemacht, wir haben immer versucht das Beste aus
der Situation zu machen. Als der Verein noch keinen eigenen
Kunstrasenplatz hatte, haben wir den Platz in Burgweinting
vom Schnee befreit, um trainieren zu können. Das war schon
Foto: Widmann/DFL