JAHNZ E I T 13 AUSGAB E JUL I 2021
Wer waren denn prägende Menschen, bei denen Du Dich
besonders bedanken willst?
Da ist zum einen natürlich die Fanszene. Das Vertrauen und
die Unterstützung, die sie mir entgegengebracht haben,
habe ich nie als selbstverständlich wahrgenommen. Wenn
ich nur an die Choreographie bei meinem Comeback nach
meiner zweiten schweren Verletzung zurückdenke. Inzwi-schen
konnte ich mich auch bei verschiedenen Personen aus
der Fanszene bedanken. Dann ist da natürlich meine Familie,
allen voran meine Frau, die mir immer wieder den Rücken
gestärkt und mir auch einen anderen Blick auf das Geschäft
Profifußball vermittelt hat. Und dann sind da noch die Mit-arbeiter
im Verein, bei denen ich mich immerhin nach dem
Spiel noch bedanken konnte, weil die meisten berufsbedingt
eingesetzt waren. Rund um die offizielle Verabschiedung im
Juli hoffe ich nun, die Zeit zu finden, mich bei allen entspre-chend
noch einmal zu bedanken.
Du hast die Fanszene angesprochen. Wie würdest Du Euer
Verhältnis über die Jahre hinweg beschreiben? Es gab ei-nen
Zeitpunkt in der Abstiegssaison 2014/15, da wurde es
auch mal hitzig zwischen Dir und den Fans…
Das war nach dem Auswärtsspiel in Osnabrück. Teile der
Fanszene waren unzufrieden mit unserer Leistung. Auch wir
Spieler waren schon sehr gefrustet, weil sich schon abzeich-nete,
dass es mit dem Klassenerhalt sehr schwer werden
würde. Dann musste jeder einmal seine Emotionen raus-lassen
und zum Glück war ein Zaun zwischen den Fans und
mir, sonst hätte ich mir womöglich eine blutige Nase geholt
(lacht). Diese Situation hat aber auch allen verdeutlicht, dass
die Fans und mich eines vereint: Wir brennen alle sehr für die
Sache und uns allen liegt der Verein sehr am Herzen.
Wie ging die Beziehung zwischen Dir und den Fans weiter?
Wie wichtig war Dir der Austausch mit ihnen über die Jahre?
Nachdem sich die Emotionen runtergekühlt hatten, habe ich
nochmal das Gespräch gesucht und die Wogen waren schnell
wieder geglättet. Jedem war klar, dass der Verein im Vorder-grund
steht und dass das Bestmögliche getan wird, damit der
Verein erfolgreich ist. Nach Spielen am Zaun ist man immer
wieder ins Gespräch gekommen und ich habe gespürt, wie
sehr Teile der aktiven Fanszene für den Jahn brennen und ihr
letztes Hemd für ihn geben würden. Das hat mich immer fas-ziniert
und ist auch etwas, das ich immer noch sehr achte –
dass man sich selbst so sehr in den Hintergrund stellt und
sich für das große Ganze aufopfert. Davor ziehe ich immer
wieder aufs Neue meinen Hut.
Dieses Brennen für den Verein ist dann auch die Eigen-schaft,
die Dich und die Fans am meisten verbindet, oder?
Es war nie ein Ziel von mir, Fanliebling zu werden, als Legen-de
oder Ähnliches tituliert zu werden. Ich wollte einfach im-mer
mein Bestes geben und meinen Teil dazu beitragen. Ich
war immer froh, wenn andere im Vordergrund standen. Dass
mir der Verein immer wichtiger war als meine Person, haben
glaube ich auch die Menschen gespürt. Zum Abschluss eine
solche Choreographie mit dem Titel „Wir verneigen uns“ zu
bekommen, ist wohl mit die größte Ehre für einen Fußballer.
Was hat diese Choreographie mit Dir emotional gemacht?
Ich habe so etwas nicht erwartet, hatte aber schon ein bisschen
im Gefühl, dass etwas kommen würde. Auf dieses letzte Spiel
und die damit verbundenen Emotionen konnte ich mich aber
einstellen. Emotionaler und überraschter war ich tatsächlich
bei der Choreographie nach meinem Comeback im April 2018,
ebenfalls gegen St. Pauli. Damals musste ich schon schlucken.
Du bist nun 31, eigentlich noch kein Alter, in dem man
zwingend ans Karriereende denkt. Warum ist für Dich jetzt
dennoch der richtige Zeitpunkt gekommen?
Da gibt es verschiedene Punkte. Zum einen ist da der gesund-heitliche
Faktor. Im Leistungssport ist es einfach so, dass der
Körper davon zehrt. Zudem war ich jetzt so lange dabei, habe
so lange Verantwortung übernommen, dass ich den Weg für
die nächste Generation freimachen und nicht irgendwelche
Positionen blockieren möchte. Damit will ich dem Verein
auch die Möglichkeit geben, den nächsten Entwicklungs-schritt
zu gehen. Jetzt sind die etwas jüngeren Spieler an der
Reihe. Ein weiterer Punkt ist, dass ich eine neue Herausfor-derung
suchen und etwas Neues wagen möchte. Ich bin nie
den einfachsten Weg gegangen, das ist nun auch beim Kar-riereende
so. Ich fühle mich jetzt bereit für neue persönliche
Erfahrungen. Raus aus der Komfortzone, einfach ein neues
Abenteuer starten.
Wie wichtig war es für Dich, die Entscheidung selbststän-dig
zu treffen?
Das Schlimmste für einen Fußballer ist, wenn dir Entschei-dungen
abgenommen werden. Ich wollte Entscheidungen
immer selber treffen. Genauso war es bei meinen Verlet-zungen,
ich wollte den Verletzungen nicht die Macht geben,
über meine Person zu entscheiden. Jetzt bin ich 31 Jahre und
es warten noch viele Herausforderungen auf mich, die mich
schon über die letzten Jahre hinweg gereizt haben. Es fühlt
sich für mich jetzt gut und richtig an.
Es gab also nie einen Zeitpunkt, an dem Du noch einmal ge-zweifelt
hast, ob Du Deine Karriere tatsächlich schon be-enden
sollst?
Nein. Auch in der Vorrunde, als es sportlich für mich gut lief,
hatte ich nie Zweifel an meiner Entscheidung. Es war eine
sehr bewusste Entscheidung.
Und was Auf- und Abstiege anbelangt, verabschiedest Du
dich mit einer Bilanz von Plus eins (zwei Abstiege, drei Auf-stiege)
von Deiner Profilaufbahn…
Das stimmt und ich habe auch vor einiger Zeit schon ein-mal
gesagt, dass es ein Traum wäre, mich mit dieser Bilanz zu
verabschieden. Aber wenn man die ganzen Jahre betrachtet,