< PreviousJahnzeit-Redaktion: Wie sieht für Euch “perfekter” Fußball aus? Oliver Seitz: Ich würde sagen, die Basis ist die Arbeit gegen den Ball. Ich stelle mir aggressives Anlaufen vor, gleich- zeitig aber trotzdem Ballbesitzphasen, durch die Chancen kreiert werden. Gegenpressing spielt für mich eine wesent- liche Rolle. Munier Raychouni: Die perfekte Vorstellung wäre für mich, dass man von Beginn an den Ball in der gegnerischen Hälfte hat, am besten im Angriffsdrittel und damit den Gegner per- manent unter Druck setzt. Dafür brauchst du den Ball und der Weg, den Ball zu bekommen, ist natürlich gezieltes Pres- sing. Ich sehe den Fußball aber schon offensiv und mit der Absicht anzugreifen und Tore zu erzielen. Welcher Fußball ist für kleinere Teams, beispielsweise in der 2. Bundesliga der Richtige? Oli: Ich glaube auch für nominell schwächere Teams ist es wichtig Ballbesitzphasen zu haben, um wieder Kräfte zu sammeln. Nur so kann im Pressing die nötige Intensität auf- gebracht werden. Dadurch kann ein Gegner bewegt und auf den eigenen Angriff vorbereitet werden. Es muss dann aber auch zielstrebig und mit Tempo auf das gegnerische Tor ge- gangen werden. Munier: Ja, man muss sagen, dass diese Liga gnadenlos ist. Erstens ist eine enorme individuelle Qualität vorhanden. Je- der Fehler wird ausgenutzt, wird bestraft. Es ist ein anderes Niveau. Wir haben in dieser Saison bereits in einigen Spielen gezeigt, dass wir gegen auch große Namen mithalten kön- nen. Es ist bitter, dass es gegen die direkten Konkurrenten nicht geklappt hat. Allerdings haben die Spiele gegen den SV Darmstadt, Hertha BSC oder den HSV gezeigt, dass wir mit unserem Pressing auch jedem Team wehtun können. Oli: Sich gegen solche Mannschaften zu behaupten, geht am Ende auch nur darüber, ihnen unangenehm und eklig gegen- überzutreten. Man muss ihnen die Lust und Freude am Fußball und am eigenen Spiel nehmen, um ihnen den Zahn ziehen zu können. Wenn du ihnen Raum und Zeit gibst, spielen sie ihre Klasse aus. Dann helfen dir auch deine eigenen Ballbesitzpha- sen nicht viel. Die Basis ist die Arbeit gegen den Ball. Munier: Genau, gerade wenn du hohe Balleroberung erzielst und beim Gegner diese Unordnung für einen Moment ent- Munier Raychouni & Oliver Seitz im Doppelinterview DIE ARBEIT GEGEN DEN BALL JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025 20steht, kann man das selbst nutzen, um schnell und zielstre- big vor das gegnerische Tor zukommen. Die Jahn Spielphilosophie definiert sich mitunter über ho- hes Anlaufen. Wie steht Ihr dazu? Oli: Der SSV Jahn war natürlich sehr, sehr erfolgreich mit die- ser Herangehensweise. Deshalb stehen wir hinter der Idee. Hier geht es um Prinzipien wie Vorwärtsverteidigung, das At- tackieren von Pässen oder aggressivem Gegenpressing. Munier: So wie ich den Fußball bisher kennengelernt habe, gibt es immer wieder Trends, die gewisse Zeiträume und Denkwei- sen prägen. Arrigo Sacchis Spielstil in den 90er-Jahren beim AC Milan mit einem 4-4-2-System und viel hinten drin stehen. Diese Form des italienischen Catenaccio will man nicht mehr sehen. Das hat auch mit der Einführung der Drei-Punkte-Regel zu tun, wodurch die Teams zu mehr Offensivdrang gezwungen wurden. In den letzten Jahren sah man viel Jürgen-Klopp-Fuß- ball und viel Gegenpressing. Immer mehr Mannschaften ha- ben begonnen im 4-3-3 zu spielen, wie beispielsweise auch der FC Barcelona. Am Ende hat aber jeder Trainer seine eigene Handschrift, die feinen Unterschiede finde ich sehr spannend. Der Fußball bleibt am Ende immer der Gleiche, allerdings erkenne ich gegenwärtig, wie viele Teams wieder anfangen, über Ballbesitz zu kommen. Xabi Alonso hat das beispielswei- se bei Bayer 04 Leverkusen implementiert und Erfolg gehabt. Die Spielidee des Vereins gibt einem natürlich zusätzlichen Halt und einen Rahmen, in dem man seine Vorstellungen ver- wirklichen kann. Oli: Ich stimme Munier zu. Es sind immer wieder Bewegungen, die den Fußball vorantreiben. Auch die Fünferkette ist bei sehr vielen Mannschaften, auch in der 2. Bundesliga, ein be- liebtes Mittel, um mit einem zusätzlichen Spieler in der Kette eine weitere Form der defensiven Absicherung zu bekommen. Über die Schienenspieler, die sich immer wieder nach vorne einschalten, versucht man dann, die Präsenz in der Offensive aufrechtzuerhalten. Unserem Spiel hat die Umstellung hinzu zwei klaren Spitzen und zwei Zehnern dahinter gut getan. Welchen Stellenwert hat die Mentalität im Fußball? Munier: Ich bin überzeugt, dass sie eine große Rolle spielt. Arsenal oder Bayer Leverkusen haben beispielsweise in der letzten Saison einige Spiele kurz vor Schluss noch gedreht. Es wurde zu einer Fähigkeit von ihnen, spät zuzuschlagen. Das hat nicht immer etwas mit der fußballerischen Qualität zu tun, die sie zweifelsfrei auch haben. Sie sind aber absolut überzeugt von sich und ihrer Idee und wissen, was sie tun müssen, um zu gewinnen. Kann man so etwas trainieren? Munier: Natürlich gibt es Menschen, die so etwas grundsätz- lich mehr haben als andere. Ich glaube aber schon, dass sich diese Fähigkeit fördern lässt. Oli: Es gibt Spieler, die als Führungsspieler vorangehen und welche, die als Persönlichkeit eher ruhiger und zurückhalten- der sind. Heidenheim-Trainer Frank Schmidt hat vor einigen Jahren gesagt, um zur Ausgangsfrage zurückzukommen, dass es 70 Prozent ausmacht, wie du mit den Spielern umgehst und die Taktik nur 30 Prozent beeinflusst. Du kannst noch so gute taktische Vorgaben machen, wenn es die Spieler am Ende nicht umsetzen wollen. Wenn die Mannschaft nicht für dich durch das Feuer gehen will, bringt das alles nichts. Überwiegt die Mentalität der Taktik? Munier: Das kann man pauschal nicht beantworten. Ein Gegentor fällt aufgrund von physischem Versagen. Trotz- dem hängt es stark von mentalen Aspekten ab. In den Sta- tistiken zeigt sich, dass, nachdem man ein Tor erzielt hat, die nächsten fünf Minuten ebenfalls brandgefährlich sind. Das ist signifikant. Gegen den SSV Ulm haben wir innerhalb von acht Minuten zwei Gegentore bekommen, das muss auch mit mentalen Gesichtspunkten zusammenhängen. Oli: Taktisch sind auf diesem Niveau alle sehr gut eingestellt und geschult, aber ob eine Mannschaft die entsprechende Energie und Teamgeist hat, macht vermutlich den Unter- schied. Es muss mit Emotionen zu tun haben, die immer in einem vorhanden sind. 21 AUSGABE MÄRZ 2025JAHNZEITWie läuft die Bewertung von Spielsituationen ab? Oli: Grundsätzlich spielt auch hier die Analyse von Aktionen gegen den Ball eine große Rolle. Wie verhält sich unsere Ket- te, wie schnell schiebt sie durch und wie schnell gewinnen wir an Höhe? Die Bewertung der Umsetzung des Matchplans spielt eine große Rolle. Haben wir unsere Spielprinzipien und unseren Matchplan gut umgesetzt oder nicht. Munier: Jeder hat auch seine eigenen Ideen und es darf ger- ne kontrovers diskutiert werden, was auch der Fall ist. Wich- tig ist am Ende, dass wir als Trainerteam eine gemeinsame Sprache sprechen und dass wir alle zusammen den Weg vor- geben. Jeder muss seine eigenen Ideen haben und einbrin- gen. Am Ende gilt es, auf einen Nenner zu kommen. Oli: Andi ist am Ende derjenige, der die Entscheidung trifft und auch verantworten muss. Wir liefern ihm unsere Vor- schläge und Ideen, die wir mit ihm und dem Trainerteam besprechen. So kann er am Ende die richtige Entscheidung treffen. Wie wichtig ist die Art, endgültige Entscheidungen zu kom- munizieren? Munier: Hier spielt für mich auch Leadership wieder eine be- sondere Rolle. Man muss hart in der Sache sein, aber trotz- dem menschlich sein und Empathie an den Tag legen. Es ist entscheidend, wie du mit den Jungs umgehst und wie du sie anpackst. Sie schätzen es, wenn dabei eine Menschlichkeit vorhanden ist. Oli: Genau, es geht darum, Menschen für sich und seine Ideen zu gewinnen. Es ist egal, wie viele Videoclips ich ih- nen zeige, wenn ich es nicht richtig vermittle. Die Spieler müssen für uns durch das Feuer gehen wollen. Die Zeit hat sich aber auch etwas verändert, egal ob im Fußball oder in der Wirtschaft. Die Leute müssen etwas mehr in Watte gepackt werden. In Ulm haben alle Ersatzspieler auch gut über den Chef-Trainer gesprochen, das ist die größte Aus- zeichnung. Wie sieht diese Zusammenarbeit im Jahn Trainerteam aus? Munier: Wir haben eine klare Aufgabenverteilung. Jeder ver- antwortet seinen Bereich, das hilft uns, dass wir alle mehr im Detail arbeiten können. Philipp Tschauner fokussiert sich auf die Arbeit mit den Keepern und unsere Standardsituationen. Christoph Rezler kümmert sich darum, dass die Spieler alle in einem super körperlichen Zustand sind. Ich musste mich erst in diesen Prozess einfinden, die Leute kennenlernen und auch sie mussten mich erst kennenlernen. Im Trainerteam haben wir eine große Harmonie und treten den Spielern im- mer geschlossen gegenüber. Auch Andi Patz hat ein sehr gu- tes Verhältnis zu den Spielern. Von daher besteht eine sehr gute Basis. Ich versuche auch immer offen für ein Gespräch zu sein, sei es beim Tee, den ich sehr gerne trinke oder am Rande eines Trainings. Die Beziehung zu den Spielern baut sich langsam auf. Ich versuche weiterhin eine positive Ener- gie in die Kabine und auf den Trainingsplatz zu bringen. Was vergangen ist, ist vergangen. Es geht immer um das nächste Spiel und das nächste Training. Oli: Ich kümmere mich um die Gegner- und Eigenanalyse und versuche die Einzelheiten herauszuarbeiten. Da wir während der Spiele permanent im Austausch sind, versu- chen wir den Überblick über die Mannschaftstaktik zu ha- ben. Die Aufgabenverteilung hat sich nach Muniers Ankunft im November sehr schnell eingependelt und er hat sich total gut ins Trainerteam integriert. Wir arbeiten insgesamt sehr harmonisch zusammen. Viele Details in unserem Auf- gabengebiet hängen am Ende vom Trainingsplan ab. 22 JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025Wie viel Fußball schaut ihr dann noch in eurer Freizeit? Oli: Ich muss ganz ehrlich sagen, dadurch, dass ich während der Woche oder in der Vorbereitung auf die Gegner drei Spiele gucke, schaue ich mir nicht mehr jedes Spiel an, weil man irgendwann so mit Fußball überfrachtet ist. Die High- light-Spiele der Champions League lasse ich mir aber nicht entgehen. Die Leidenschaft ist sehr hoch. Ohne diese Lei- denschaft oder Besessenheit wirst du keinen Erfolg haben. Dass ich im Fußball arbeiten kann, macht mich immer sehr demütig und glücklich. Munier: Hier in Regensburg habe ich tatsächlich keinen Fern- seher dafür (schmunzelt). Ich schaue generell schon noch viel außerhalb der Arbeitszeit. An Inter Mailand, die einen ähnlichen Spielstil bemühen wie der SSV Jahn, orientiere ich mich gerne und schaue, wie sie gewisse Dinge machen. An- sonsten verfolge ich auch gerne andere Trainingseinheiten und hole mir überall ein bisschen Inspiration. Das hängt na- türlich auch davon ab, ob die Teams so spielen wollen, wie wir das tun möchten. So bekomme ich viel neuen Input. Wir arbeiten sehr akribisch und detailliert daran, möglichst er- folgreich zu sein. Wie verbringt Ihr die Zeit, wenn es gerade nicht um Fuß- ball geht? Munier: Ich habe eine kleine Tochter, sie ist drei Jahre alt. Die Familie nimmt bei mir einen großen Platz ein. Ansonsten verbringe ich die Zeit gerne mit Lesen. Natürlich beschäftigt einen der Fußball auch immer, aber wenn ich bei der Familie bin, kann ich es zum Glück etwas ausblenden. Meine Frau und meine Tochter haben mich da gut im Griff. Oli: 80% deckt der Fußball ab. Ich mache immer noch ei- niges von zu Hause aus. Ich brauche allerdings auch meine Oasen und Zeitfenster, in denen ich runterkommen kann. Am freien Tag gehe ich gerne Kaffee trinken und Kuchen essen, das auch gerne alleine. Im Sommer ist Regensburg perfekt dafür. Außerdem treibe ich viel Sport oder versuche in der Sauna runterzukommen. Wenn ich frei habe, bin ich froh, mal mit niemandem zu tun zu haben. Wie geht Ihr mit negativen Phasen um? Munier: Man bewegt sich im Fußball natürlich immer in verschiedenen Gefühlswelten, wenn man am Wochenen- de gewonnen oder verloren hat. Die Grundstimmung ist eine andere. Lange Trübsalblasen hilft aber nicht weiter, es müssen Positivität und Optimismus Richtung Wochenende entstehen, um das nächste Spiel zu gewinnen. Die Spieler orientieren sich an dir. Wir müssen Energie versprühen und nach vorne schauen. Oli: Am Tag der Niederlage ist man natürlich geknickt. Es ist wichtig, bereits am Tag danach Optimismus zu verbreiten und positiv in die Zukunft sowie das nächste Spiel zu bli- cken. Es geht darum, weiterzumachen, im nächsten Training wieder voll da zu sein und Lösungen zu finden. Nur mit dem Glauben kann man erfolgreich sein. Munier: Der Glaube kann Berge versetzen. Ich habe immer wieder meine Sprüche (lacht). 23 JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025SEITZ CO-TRAINER ANALYSE Oliver Seitz stieß im Sommer 2024 zum SSV Jahn Regensburg. Er kam selbst als Aufsteiger. Mit dem SSV Ulm marschierte er von der Regionalliga in die 2. Bundesliga. Nach beinahe sechs Jahren bei den “Spatzen” suchte er die Donau flussabwärts in Regensburg eine neue Herausforderung. In sein Aufgabenpro- fil fällt mitunter die Videoanalyse, die seit einiger Zeit wesent- licher Bestandteil in der Arbeit von Profifußballclubs ist. Wie eine solche Analyse abläuft, welche Aufgaben er am Spieltag hat und wie er als kleines Kind seine Liebe zum Fußball ent- deckte, erzählt er im Jahnzeit-Interview. Jahnzeit-Redaktion: Wie bist du zum Fußball gekommen? Oli: Von Kindesbeinen an. Ich bin in Köln geboren und die ers- ten sieben Jahre meines Lebens aufgewachsen. Mein Vater hat Fußball gespielt und ich war natürlich jeden Sonntag dabei. Die Affinität zum 1. FC Köln kam auch schnell, weil mein Vater mich ins Stadion mitgenommen hat. Das hat mich sofort be- geistert und nicht mehr losgelassen. Mit sieben Jahren bin ich dann von Köln nach Ulm umgezogen, weil mein Vater beruflich versetzt wurde. Dort habe ich bei einigen kleineren Vereinen gespielt und bin zur A-Jugend zum SSV Ulm gewechselt. Wie würdest du dich als Spieler beschreiben? Ich war eher der spielstarke, technisch versierte Vorlagen- geber. Jetzt kein Torjäger oder Zerstörer, eher der Elegante hinten links oder im linken Mittelfeld. Wie würdest du heute als Trainer auf dich als Spieler bli- cken? Ich würde es heutzutage schwer haben, ganz ehrlich, weil der Fußball schneller geworden ist. Das war immer mein Thema, die Antrittsgeschwindigkeit. Auf der längeren Strecke war ich schnell, aber beim Antritt, also die ersten zehn Meter, da hat es gehapert. Defensiv gesehen, war ich auch kein lei- denschaftlicher Zweikämpfer, der du auf dieser Position sein musst. Da brauchst du das Verteidiger-Gen. Meine Vorzüge lagen immer im Offensivspiel. Wenn ich ab und an mit den Jungs mittrainiere, merke ich, dass es beim Rondo oder wenn es nur ums Technische geht, ich schon mithalten könnte. So- bald es aber um Laufduelle geht, stoße ich an meine Gren- zen. Es wäre zudem auch schlimm, wenn ich noch mithalten könnte (lacht). Wie bist du zum Trainerjob gelangt? Ich wollte eigentlich nach meiner Karriere Abstand gewin- nen und nichts mehr mit Fußball zu tun haben. Man hat kein freies Wochenende und ich wollte damals frei und spontan sein. Es kam nach meinem Karriereende die Anfrage aus der Bezirksliga, ob ich nicht Trainer sein möchte. Ich habe dann relativ schnell Affinität und Leidenschaft gespürt und habe es weiter verfolgt. Ich kam als Cheftrainer dann in die Nachwuchsabteilung des SSV Ulm und habe in einer Dop- pelfunktion parallel die Spiele der Profis als Videoanalyst JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025 24begleitet. Das war es dann mit dem freien Wochenende, es war sehr intensiv. Wir haben samstags mit den Profis ge- spielt und Sonntag mit der U16. Am Montag ging es dann bei den Profis weiter, damals noch in der Regionalliga. Es war eine lehrreiche, aber auch sehr anstrengende Zeit. Das zeugt von deiner Ambition… Ja, ich wollte unbedingt besser werden. Ich habe schnell gemerkt, dass das normale Arbeitsleben nichts für mich ist. Ich habe zwar Speditionskaufmann gelernt, aber nie als solcher gearbeitet. Nach meiner Spielerkarriere habe ich in einem Reha-Zentrum gearbeitet und bei einem Sportarti- kelhersteller. Ich habe schnell beschlossen, wieder in den Fußball zurückzukehren. Als der Job bei den Profis in Ulm frei wurde, war für mich klar, dass ich das machen will. An- schließend habe ich meine Trainerscheine und die Weiter- bildung zum Spielanalysten gemacht. So hat es seinen Lauf genommen. Ich bin sehr dankbar, wie es gekommen ist. Im Sommer hast Du dich nach Regensburg aufgemacht. Was hat dich dazu bewogen? Ich war fünfeinhalb Jahre beim SSV Ulm und habe mit ihnen den Durchmarsch aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga erleben dürfen. Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist und die Aufgabe beim SSV Jahn hat mich sehr gereizt. Ich wollte ein neues Umfeld kennenlernen und an der neuen Herausforderung wachsen. Regensburg habe ich über die letzten Jahre immer wieder verfolgt und finde die Entwick- lung sehr spannend. So ergab sich dann im Sommer auch der Kontakt. Die Erfahrungen in Ulm werde ich nicht verges- sen und sie helfen mir bei meinem Weg. Beim SSV Jahn füh- le ich mich sehr wohl, im Verein und in der Stadt, zudem hat mich die Mannschaft super aufgenommen. Die Infrastruktur und die Gegebenheiten hier sind auf einem sehr hohen Ni- veau, das müssen wir mit der entsprechenden Bodenstän- digkeit wertschätzen. Es sind tolle Voraussetzungen. Wie sieht der Tätigkeitsbereich eines Video-Analysten aus? Ich verbringe in der Regel viel Zeit am Laptop und schaue mir für die Gegneranalyse normalerweise mindestens drei Spie- le an. Dabei achte ich darauf, wie der Gegner in den unter- schiedlichen Spielphasen agiert. Daraus entsteht meine Geg- neranalyse, die wir zunächst im Trainerteam diskutieren. Hier geht es vor allem darum, was wir der Mannschaft zeigen wol- len. Zusätzlich fertige ich noch Einzelanalysen der Schlüssel- spieler an. Dabei suche ich die wichtigsten Aktionen heraus und leite die Videos den entsprechenden Mannschaftsteilen weiter. Wichtig ist nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Nachbereitung. Dabei geht es vor allem um das eigene Verhalten auf dem Platz und die Einhaltung des Matchplans. Ich markiere alle relevanten Szenen und gehe sie dann mit dem Trainerteam durch. Neben den mannschaftstaktischen Gesichtspunkten geht es auch um die Analyse und Weiter- entwicklung der Einzelspieler. Mit ihnen gehe ich unter der Woche in Austausch und zeige ihnen ihre Szenen aus dem letzten Spiel. Ganz wichtig, das macht mir auch enorme Freu- de, ist dann die Arbeit mit ihnen im Training. Ich filme und werte die Trainingseinheiten aus. Durch das Videomaterial haben wir die genaue Dokumentation der Situation, keiner kann sich verstecken, was früher in der Nachbereitung an der Tafel schon immer mal wieder vorkam. Welche Szenen gehst Du mit den Spielern durch? Das ist immer unterschiedlich. Ich versuche einen Mix aus überwiegend positiven Beispielen, aber auch Negativen vorzustellen. Klar muss Fehlverhalten aufgezeigt werden, aber ich bevorzuge es, mit guten Aktionen zu arbeiten. Der Mensch versteht es viel besser, wenn er das Positive gezeigt bekommt. Natürlich hängt das auch immer von der Situation ab. Ich muss es dem Spieler sagen, wenn er Dinge wiederholt falsch macht. Die Arbeit an den eigenen Stärken birgt jedoch mehr Potenzial. Welche taktischen Aspekte sind dir in dieser Saison des Öf- teren aufgefallen? Um ein konkretes Beispiel zu nennen, würde ich die Box- verteilung nennen, also wie wir uns im eigenen Strafraum positionieren. In der Hinrunde haben wir so viele Gegen- tore bekommen. Daran haben wir viel gearbeitet. Wir ha- ben viele Szenen aus dem letzten Jahr oder auch aus dem internationalen Fußball gezeigt. Es geht dabei um Aspekte wie den Dreiecksblick, die seitliche Stellung oder Körper- kontakt zum Gegenspieler. In diesen Bereichen haben wir zugelegt und uns sichtlich verbessert. Es geht dabei um sehr viele Details. Wie dribbeln unsere Innenverteidiger an, um die nächste Linie zu attackieren, wie reagieren wir auf Bälle hinter die Kette und so weiter. Viele solcher wichtigen Punkte fallen den meisten nicht auf, was ich auch nieman- dem übel nehme. Sie entscheiden aber auf diesem Niveau über Sieg oder Niederlage. "Ich wollte unbedingt besser werden. Ich habe schnell gemerkt, dass das normale Arbeitsleben nichts für mich ist." 25 JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025Wie wirkst du während der 90 Minuten auf die Mannschaft ein? Ich sitze am Spieltag etwas höher auf der Tribüne und be- komme das Video des Spiels direkt auf meinen Laptop. Da- bei geht es vor allem um die Live-Analyse des Spiels. Ich bereite die wichtigsten Szenen für die Halbzeit vor. In der Kabine zeigen wir dann den Spielern ausgewählte Clips, um ihnen eine neue Perspektive auf ihr Spiel zu geben. Es ist ein Vorteil einen anderen Blickwinkel zu haben als das rest- liche Trainerteam. Auf welche taktischen Elemente achtest Du besonders? Ein großer Schwerpunkt ist natürlich das Anlaufverhalten. Wir wollen als SSV Jahn immer hoch attackieren und hohe Ballgewinne. Dabei spielt die Positionierung eine große Rolle. Wir müssen aus einer Kompaktheit heraus agieren, das Pressing vorbereiten und nicht blind anrennen. Es geht meiner Ansicht nach nur über ein kollektives Gegenpres- sing. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Worauf ich während der 90 Minuten auch immer achte, sind die Räume, die sich "Wir wollen als SSV Jahn immer hoch attackieren und hohe Ballgewinne. Dabei spielt die Positionierung eine große Rolle. Wir müssen aus einer Kompaktheit heraus agieren, das Pressing vorbereiten und nicht blind anrennen. " ergeben und die uns der Gegner öffnet. Es sind sehr viele Details zu beachten. Die Entscheidungen der Spieler füh- ren am Ende zum Ergebnis, im Optimalfall treffen sie die Richtigen. Wie verfolgst Du ein Fußballspiel als Videoanalyst? Wenn ich mir ein Fußballspiel angucke, achte ich immer da- rauf, in welcher Grundformation gespielt wird. Wie laufen sie an, wohin lenken sie das Spielgeschehen, was haben sie für Muster mit Ball? Das ist mittlerweile schon ein sehr analytischer Blick. Kannst Du dabei noch Fan sein? Wenn ich den 1. FC Köln anschaue, gelingt mir das noch ganz gut (lacht). Ich war bisher nur als Fan und kleiner Junge im Stadion. Ich freue mich sehr, auf unser Auswärtsspiel dort. Auch wenn ich früher die Hymne mitgesungen habe, werde ich mich natür- lich dann zurückhalten. Der Fokus liegt darauf, dort zu gewinnen. ag 26 JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025“Oli ist unser Sunnyboy im Trainerteam (schmunzelt). Er bringt immer frischen Wind ins Trainerteam. Er ist ein lebensfroher Mensch mit einer positiven Grundhaltung. Es ist wichtig, seine Energie bei uns im Team zu haben. Mit seinem Blick auf den Fußball gibt er uns immer wie- der neue Perspektiven auf unser Spiel. Individualana- lysen sind unter anderem sein Schwerpunkt, wo er eng mit den Spielern an Stärken und Schwächen arbeitet.” Das sagt Chef-Trainer Andreas Patz über Oliver 27 JAHNZEITAUSGABE MÄRZ 2025 Foto: JannePostversandverpackung / Transportverpackung / Fixierverpackung / Füllstoffe aus Papier / Archivsysteme aus Karton Clevere Lösungen für Versand und Verpackung your progress in packaging. PROGRESS-PACKAGING.COM Ein Beispiel unserer zahlreichen Verpackungslösungen mit patentiertem Aufreißfaden und intelligentem SelbstklebeverschlussNext >