< PreviousPHILIPP PAINTNER Jahnzeit: Im Sommer bist Du aus dem Leistungszentrum Jahnschmiede zu den Profis hochgezogen worden. Wie hast Du es erlebt, mehr oder weniger ein Gebäude weiter gewechselt zu sein? Philipp Paintner: Die Kulisse hat sich natürlich deutlich ver- ändert, ein gutes Gefühl war die Umstellung aber auf jeden Fall. Insbesondere fühle ich erstmal Stolz und Freude, da es eine Anerkennung für meine zahlreichen Ausbildungen und unsere Arbeit in der Jahnschmiede ist. Vor knapp fünf Jahren haben wir im konzeptionellen Bereich angefangen das Ath- letik- und Rehatraining auszuarbeiten und zu erweitern. Das habe ich unter anderem damit angestoßen. Ich habe mich hauptsächlich um die verletzten Spieler gekümmert und die Athletik im Konzeptionellen entwickelt, sodass sich durch die Mannschaften der Jahnschmiede im athletischen Bereich ein roter Faden zieht. Damit sich ähnlich der Jahn Spielphiloso- phie eine Einheitlichkeit durchzieht. Im Vergleich zum Nach- wuchsbereich weht hier bei den Profis ein anderer Wind. Es steht viel mehr auf dem Spiel. Die Ansprüche sind höher, die jeder an sich selbst hat. Das sieht man besonders bei den äl- teren Spielern, die über Erfahrung in der 1. und 2. Bundesliga verfügen. Man muss robust sein und innerhalb seiner Vorga- ben und Freiheiten einen eigenen Weg entwickeln. Wie unterscheidet sich die inhaltliche Arbeit bei den Profis im Vergleich zu den Talenten aus dem Nachwuchs? Inhaltlich habe ich es ähnlich aufgezogen. Im Jugendbereich muss man die Belastung mehr steuern. Bei den Profis sind alle ausgewachsen, bringen ein gewisses Fundament mit, sei das jetzt nativ oder muskulär. Die Nachwuchsspieler befinden sich noch im Wachstum, wodurch gewisse Belastungen nicht mög- lich sind. Von der Idee her unterscheidet sich letztlich nicht viel, da ich aus dem Reha-Bereich kommend viel präventiv mit den Spielern arbeiten möchte. Im Grunde sind die Komponen- ten, die die Hüfte umgeben, elementar und zu stabilisieren, weil sie im Fußball enorm wichtig sind. Die Schwerpunkte, um die Körpermitte zu kräftigen, sind dann ähnlich aufgebaut. Vieles geht von einem stabilen Rumpf aus, weil das der Anker im Grunde ist. Der muss gefestigt sein, um beispielsweise im Zweikampf stabil zu sein. Einen idealtypischen Fußball-Athlet gibt es meines Erachtens nicht, weil auch sehr viel positions- abhängig abgestimmt wird. Es gibt verschiedene athletische Komponenten, die erfüllt sein müssen. Ist es deshalb nicht immer ratsam, viele Muskeln aufzu- bauen und mitzuschleppen? Alles was an Muskeln vorhanden ist, muss in der Praxis versorgt werden, ohne dass dabei die Schnellkraft leidet. Die Frage ist halt, ob einen Spieler zwei Kilo oder drei Kilo mehr über 90 Minuten nicht eher an der Bestleistung hin- dern. Das muss man auch im Hinterkopf haben. Wenn zu viel Masse am Körper ist, dann kann die Ausdauer und die Agilität darunter leiden. Muskeln sind Gewicht, die man rumschleppen muss. Kann ich sie überhaupt versorgen? Klaus Eder, langjähriger Physiotherapeut der deutschen Nationalmannschaft, hat es in vielen Vorträgen gesagt: Es bringt nichts, wenn im Muskel 1.000 Volt sind, aber im Kopf kein Lämpchen brennt. Die Muskulatur muss eben auch eine gewisse Qualität mitbringen. Nur weil man viele Mus- keln hat, heißt das nicht, dass die Schnellkraft automatisch steigt. Das ist die Kunst, eine gesunde Balance herzustellen. Hinzu kommt, dass sich jeder Spieler unterscheidet. Es gibt Menschentypen, die schneller Muskulatur aufbauen und manche sind eben zäher und drahtiger. Spieler müssen in- dividuell betrachtet werden, um sie optimal auf den Wett- bewerb vorzubereiten. 20 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Im Winter gab es mit Christoph Rezler als Athletik-Trainer eine Ergänzung im Trainerteam. Inwiefern hat sich da der Aufgabenbereich verändert? Ich habe dadurch mehr Zeit mit angeschlagenen oder leicht verletzten Spielern zu arbeiten und parallel zu den Einhei- ten, gewisse Punkte zu erarbeiten. Während Christoph Rezler die Jahnelf bei Auswärtsfahrten betreut, kann ich mich um die Spieler kümmern, die nicht im Kader sind. Wir sind im ständigen Austausch und ergänzen uns gut. Ich bin nun mehr in der Richtung Datenauswertung von Leistungsdaten tätig. Er arbeitet dann im Operativen auf dem Platz mit den Profis und erstellt die jeweiligen Einheiten. Als Co-Trainer Reha begleitest Du die verletzten Spieler. Was bedeutet das, zum Beispiel bei den Kniepatienten Eric Hottmann und Erik Tallig? Bei solchen Verletzungsthematiken werden sie extern be- treut, bis sie einen gewissen Status erreicht haben. Mit unserem Kooperationspartner stehe ich im permanenten Austausch bei einer solch intensiven Reha-Betreuung. In der Endphase der Reha werden die Spieler vor Ort von mir be- treut, um sie wieder an das Mannschaftstraining heranzufüh- ren. Beide sind auf einem guten Weg. Erik Tallig ist öfter am Trainingsgelände und arbeitet vor Ort in vielen Bereichen. Eric Hottmann ist auch schon wieder auf dem Platz und ar- beitet mit Trainern in Donaustauf. Im April wollen wir ihn hier in unserem Trainingszentrum am Kaulbachweg wieder an die fußballspezifischen Bewegungsmuster heranführen. Welchen Ansatz verfolgst Du bei solch schweren Verlet- zungen? Gerade beim Kreuzbandriss gibt es grobe Anhaltspunkte, die auf eine Dauer von 9 Monaten schließen lassen. Bis das Kreuzband vollständig wiederhergestellt ist, kann es viel länger dauern und es kommt auch auf die Belastung an. Dementsprechend ist es auch Aufgabe von Jahn Physio To- bias Rutzinger und mir, ihn zu schützen. Oft fühlen sie sich wieder fit und bereit, ins Training frühzeitig ein- zusteigen. Gerade dann kann es anfangs gut gehen und bei einem kleinen Rückschlag alles schlimmer machen. Das ist ge- fährlich. Solche Hochphasen sind gleichzeitig sensible Phasen für das Kreuzband und können beispielswei- se zu Re-Rupturen führen. Daher sind immer ein gesundes Augenmaß und eine offene Kommunikation zwischen dem Spieler und dem Trainerteam not- wendig. Wie wichtig ist die Abstimmung mit den anderen Trainern? Gerade am Anfang, wenn der Spieler noch nicht fürs Team-Training geeig- net ist, ist eine ständige Abstim- mung sehr notwendig. Es kommt oft vor, dass der Spieler kontrolliert mehr trainiert. Das muss beispielsweise mit dem Physioteam abgestimmt werden, weil sie das besser beurteilen und fühlen können. Wenn der Spieler dann zwar Schmerzen hat, die Ver- letzung aber trotz Belastung stabil ist, sind das wichtige Er- kenntnisse, die in das weitere Vorgehen hineinspielen. Wie wichtig ist es auch, zu den verletzten und nicht nomi- nierten Spielern eine menschliche Verbindung zu haben? Jeder Spieler ist wichtig und letztlich arbeite ich mit jedem Spieler individuell, entweder an den Verletzungsproblema- tiken oder entsprechend in anderen Teilbereichen, wo die Spieler noch Potenziale besitzen. Zu den Jungs habe ich wirklich zu jedem eine gute Verbindung. Wie das Training angenommen wird, hängt aber vom Spieler ab. Die Spieler, die nicht im Kader sind, nehmen es natürlich unterschied- lich auf. Ich versuche, für alle ein offenes Ohr zu haben und viel mit ihnen zu reden. Wichtig ist nur, dass sie ebenfalls im Rhythmus bleiben und sich fit halten. Wie sehr leidest Du selbst bei schweren Verletzungen? Das ist schon immer ein schwerer Schicksalsschlag, an dem die Jungs anfangs immer hart zu knabbern haben. Die Anfangs- phase ist sehr schwierig, weil du kaum etwas machen kannst. Irgendwann realisiert man, dass es aber vorangeht. Lange nach hinten schauen bringt nichts. Jeder verletzte Spieler ist manch- mal traurig und in einem mentalen Sumpf, aber am Ende muss das Geschehene verarbeitet und der Blick in die Zukunft gerich- tet werden. Früher habe ich bei den Verletzungen sehr mitgelit- ten. Mittlerweile gehören leichte Blessuren zum Tagesgeschäft, doch bei schweren Verletzungen wie bei Eric Hottmann oder Erik Tallig tut mir das noch immer weh. Da habe ich die Situa- tionen immer noch vor Augen und bekomme dabei immer noch Gänsehaut. Wichtig ist aber auch hier positiv zu bleiben und den Fokus auf das Rehatraining zu richten. Ende vergangenen Jahres bist Du erstmals Vater gewor- den. Wie stehts mit dem Familienglück? Sehr gut. Wir sind sehr zufrieden. Ich kann immer nur wieder betonen, mein Sohn Kilian schläft sehr gut (schmunzelt). Je- der, der Kinder hat, weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, aber er kommt in der Nacht auf sieben, acht Stunden Schlaf. Das macht es für meine Frau und mich deutlich entspannter. Die Geburt hat mein Leben schon positiv bereichert. Wenn ich nach einem anstrengenden Arbeitstag heimkomme und sein Lachen sehe, ist alles wieder gut. Ein sehr schönes Gefühl. Ich genieße es sehr, mit meiner Frau und dem Kinderwagen spa- zieren zu gehen. Mit einem Bild auf meinem Schreibtisch be- gleitet mich Kilian auch während des Arbeitstags, gerade sein spitzbübisches Lächeln bereitet mir sofort gute Laune. Da wir von allen eine lustige Anekdote gehört haben, darfst Du den Kreis schließen und eine über Andreas Patz erzählen. Ich genieße meistens die Momente im Trainerbüro, ohne mir das lange zu merken. Andi liebt meinen Honig, den ich in der Küche stehen habe. Besonders ist er aber beim Fußball-Ten- nis aktiv und duelliert sich regelmäßig mit Joe Enochs. Er be- sitzt auf jeden Fall eine Menge Ehrgeiz. ag 21 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Aktionsspieltag Klimaschutz 2024 Ihr wollt mehr erfahren? klimaschutz-aktionsspieltag.de Gemeinsam für mehr Klimaschutz in der 3. Liga: Sport und Klimaschutz verbinden Sensibilisierung für Klimaschutzmaßnahmen Fußball als Plattform für positive Veränderungen Wie machen wir uns gemeinsam auf den Weg zu mehr Klimaschutz? Waldflächen in Deutschland aufforsten Alte Fahrradreifen & -schläuche mit Schwalbe recyclen Vegane Angebote für mehr Klimaschutz unsere Verantwortung Unser Spiel, 12.–21. April 2024 Foto: Janne #mehrals fußball Gleich reinschauen und Tickets sichern! KULTUR STADION IM KONZERT KULINARIK KABARETT POETRY HEIMATSOUND POP KLASSIK KUNST UNTERHALTUNG jahnstadion-regensburg.de#mehrals fußball Gleich reinschauen und Tickets sichern! KULTUR STADION IM KONZERT KULINARIK KABARETT POETRY HEIMATSOUND POP KLASSIK KUNST UNTERHALTUNG jahnstadion-regensburg.deSeit 2017 betreut Physiotherapeut Tobias Rutzinger die Jah- nelf. Seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 2017/18 hat sich ei- niges entwickelt beim SSV Jahn Regensburg – auch im Bereich der Physiotherapie. Auf welche Gebiete er Einfluss nimmt, wie er die Jahn Profis beim Erreichen ihrer Leistungsgrenze unter- stützt und wie er unverhofft zu seinem Traumjob gekommen ist, erzählt er in einem ausführlichen Gespräch und zeigt auf, wie viel hinter der komplexen Tätigkeit des Jahn Physiotherapeuten steckt. Jahnzeit: Hattest Du ein Erweckungserlebnis? Warum hast du angefangen, dich mit dem menschlichen Körper ausei- nanderzusetzen? Tobias Rutzinger: Ehrlich gesagt überhaupt keines (schmun- zelt). Es gab nicht wirklich einen Moment, wo ich direkt gewusst habe, dass ich Physiotherapeut werden wollte, sondern ich habe ganz lange Zeit nicht gewusst, was ich machen möchte. Ich habe erst meine Realschule abge- schlossen, bin dann auf die FOS gegangen und dann ging es für mich lange darum: Welchen Beruf willst du denn später einmal ausüben? Ich habe gleich drei Praktika als Mecha- troniker absolviert. Gleich am ersten Tag, an dem ich heim- gekommen bin, war mir klar, dass das gar nichts für mich ist (lacht). In meiner Klasse war jeder Mechatroniker. Also dachte ich mir auch, dass das etwas für mich wäre. Mein Trainer hat zu mir gesagt: Warum bleibst du denn nicht im Sport? Welche Optionen es dort gab, war mir anfangs nicht bewusst. Bewegungswissenschaften konnte man in Regens- burg studieren. Und dann habe ich bei der Studienberatung angerufen und gefragt: Was könnte ich denn machen? Im Gespräch kamen wir darauf, dass auch eine Ausbildung in diesem Bereich möglich wäre, Physiotherapeut, Kranken- pfleger oder Ähnliches. Und dann habe ich mich erst einmal mit dem Thema Physiotherapie beschäftigt. Mir war schnell klar, dass mich das Thema rund um den Körper interessiert und fasziniert. So habe ich den Entschluss gefasst, eine Ausbildung zu machen und relativ schnell gemerkt, dass das genau meine Passion ist. Die Ausbildung zum Physiotherapeut ist sehr kosteninten- siv und bringt damit eine große Einstiegshürde mit sich. Wie lief das bei Dir ab? Das haben damals komplett Papa und Mama übernommen. Ich bin meinen Eltern heute noch wahnsinnig dankbar da- für. Meinem Papa habe ich immer gesagt, ich zahle ihm das Schulgeld wieder zurück, habe ich bis heute nicht geschafft (lacht). Also haben sie meine komplette Ausbildung über drei Jahre à 300 Euro pro Monat übernommen. Das ist ein hoher Anteil, aber weil ich das machen wollte, haben meine Eltern mich damals maximal unterstützt. In den drei Jahren herrschte ein enormer Lernaufwand, weil in der Physio- therapie nicht nur klassische Orthopädie oder Muskulatur behandelt wurde, sondern auch Unterricht in Psychologie, in Gynäkologie, in Pädiatrie (Anmerk. d. Red., Kinderheil- kunde) und auch Innerer Medizin notwendig waren. In der Abschlussprüfung standen über 20 Prüfungen an, viele schriftliche, aber auch ganz viele praktische kleine Prüfun- gen und mündliche Prüfungen. Also musste ich damals sehr viel lernen. Es kommt deswegen immer wieder vor, dass manche nicht bestehen. Ich habe mich daheim eingeschlos- sen für zwei, drei Monate und alles auswendig gelernt, um die Prüfung zu bestehen. TOBIAS RUTZINGER Vom Körper über den Geist – die vielschichtige Tätigkeit des Jahn Physios 24 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Physiotherapie ist ein schwer greifbarer Begriff, weil er so viel umfasst. Wie würdest Du die Physiotherapie definie- ren für jemanden, der sich unter dem Begriff nichts vor- stellen kann? Das ist nicht leicht. Ein Versuch: Physiotherapie bedeutet, die Menschen wieder ihre physiologische Bewegung ausüben zu lassen, damit sie den Alltag schmerzfrei meistern können. Dafür hast du verschiedenen Tools an der Hand. Am Ende kann man beispielsweise mit den Händen im orthopädischen Bereich arbeiten und bestimmte Punkte drücken, mit Atem- therapie die Lunge wieder funktionsfähig machen, durch die Neurologie dem Patienten nach einem Schlaganfall lernen, sich wieder selbstständig zu waschen, zu gehen. Das sind alles Methoden, die man während der Ausbildung lernt und anschließend anwenden kann, um Menschen wieder in ihr normales Leben zu führen und sie vom Schmerz zu befreien. Am Ende ist natürlich der Patient ganz viel für sich selbst ver- antwortlich. In einer klassischen Therapieeinheiten habe ich mit dem Patienten 20 Minuten zwei Mal pro Woche. Jeder kann sich vorstellen, wenn er dann acht Stunden am Tag im Büro sitzt, ist das mit 20 Minuten Physiotherapie schwer aus- zugleichen. Die Menschen müssen selbst aktiv werden. Du arbeitest hier mit keinen klassischen Patienten, son- dern mit Fußballprofis und Leistungssportlern. War für dich das von Anfang an das klare Ziel? Das hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm (lacht). Ich habe meine Ausbildung nicht mit Fußball verbunden. Zwar half ich im zweiten Lehrjahr meiner Fußballmannschaft und habe dort therapiert, aber einen klaren Plan habe ich nicht verfolgt. Als ich dann meine Ausbildung abgeschlossen hat- te, wollte ich zunächst frei machen und eine kleine Pause von Juli bis November einlegen. Von Realschule, FOS bis Aus- bildung habe ich komplett durchgezogen. Ab November lief dann der Kurz zur manuellen Lymphdrainage, den ich ma- chen wollte. Dieser dauert rund einen Monat und am Ende bekommt man mit dem Abschlusszeugnis die Erlaubnis, bei Patienten eine Lymphdrainage durchzuführen. Bei vielen Arbeitgebern ist es schwer, dafür frei zu bekommen, deshalb wollte ich das noch vor der Festanstellung absolvieren. Über den Sommer habe ich dann bei meinen Eltern gelebt und nebenbei in der Bar Picasso in der Regensburger Altstadt ge- arbeitet. Mit Günter Roggenhofer vom Best Western Hotel, der damals mein Gast war, bin ich ins Reden gekommen. Er hatte damals schon gute Verbindungen zum SSV Jahn ge- habt. Über Wolfgang Brummer wurde dann der Kontakt zu Christian Keller hergestellt. Daraufhin habe ich eine Bewer- bung geschrieben und ihn um ein Praktikum gebeten. Den kompletten Oktober hindurch, durfte ich in der damaligen Aufstiegssaison 2016/17 mithelfen. Das hat mir natürlich unfassbar viel Spaß gemacht. Allein die Jungs erst einmal kennenzulernen, das erste Mal diese Profi Luft zu schnup- pern und da kam dann das erste Mal diese Affinität zum Pro- fi- und Leistungssport auf. Für mich war es fortan natürlich dann ein Traum, beim SSV Jahn in Vollzeit zu arbeiten. Dass Christian Keller sich dann nach dem Aufstieg in die 2. Bun- desliga 2017, dafür entschieden hat, einen Physiotherapeut anzustellen, der gerade mal ein Jahr ausgelernt war und mir das Vertrauen schenkte - das kann ich bis heute eigentlich nicht nachvollziehen und dafür werde ich ihm immer dank- bar sein. Wie lief dieser überraschende Prozess dann damals ab? Ich wusste, dass das mit den Spielern besprochen wurde und sie gefragt wurden, ob sie sich vorstellen können, weiter- hin von mir behandelt zu werden. Es kam anscheinend eine positive Resonanz aus dem Spielerkreis. Ich stand trotzdem am Anfang. Ich konnte vielleicht gut massieren und hatte ein gutes Gespür für die Spieler und den Sport, aber fachlich war ich bestimmt noch kein herausragender Physiotherapeut, was aber kurz nach der Ausbildung auch nicht möglich ist. Plötzlich war ich also im Profibereich. Wie hast Du dir dann über die Jahre deine heutige Experti- se erarbeitet und dich weiterentwickelt? Ich habe im Februar 2017 erfahren, dass ich die Vollzeitstelle beim SSV Jahn übernehmen darf. Natürlich hatte ich zunächst Fragezeichen im Kopf, wie ich mich darauf vorbereiten sollte. Es gab das Fasziendistorsionsmodell, das sich gut im Sport anwenden lässt. Dann habe ich kurzerhand noch zwei Kurse in der Chiropraktik gemacht sowie mich mit einem Fachmann aus dem Sport über mehrere Stunden zusammengesessen. " Mir war schnell klar, dass mich das Thema rund um den Körper interessiert und fasziniert." 25 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Ich habe mir alle Fragen über die Zeit aufgeschrieben, die mir immer wieder gekommen sind und habe ihn über alles ausgefragt. Er hat mir zu jedem Szenario erklärt, wie er re- agieren würde. Drei weitere Fortbildungen habe ich noch ab- solviert und auch gleich die manuelle Therapie angefangen. Der SSV Jahn hat mich natürlich dabei unterstützt, dass ich die manuelle Therapie-Ausbildung über zwei Jahre hinweg abschließen konnte. Danach ging es direkt mit dem “Sport- Physiotherapeuten” weiter und bin zudem ins Selbststudi- um zum Heilpraktiker gegangen. Im Anschluss folgte noch eine Ausbildung zum Osteopathen und in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Die Rahmenbedingungen zum damaligen Zeitpunkt waren weit entfernt vom heutigen Standard. Kannst du mal be- schreiben, was Du vorgefunden hast und wie es sich über die Jahre entwickelt hat? Damals gab es mit mir einen Physiotherapeuten bei den Profis und es gab die Kooperationspraxis Brummer und Günter, die die Reha immer unterstützt und punktuell nach dem Training geholfen hat . Das heißt, ich war eigentlich die meiste Zeit alleine. Nach den Trainingseinheiten ha- ben Matthias, Tom oder Wolfgang mich bei der Behand- lung unterstützt. So hat sich das eigentlich die ersten drei Jahre in der 2. Bundesliga auch durchzogen. In der vierten Saison hat sich das Nachwuchsleistungszentrum mit dem ersten Stern weiterentwickelt. Daraufhin hat die Jugend- abteilung einen festen Physiotherapeuten gebraucht. Das war das erste Mal, dass zwei Physiotherapeuten beim Ver- ein angestellt und bei den Profis eben mitgeholfen haben. Dann waren wir an mehreren Tagen auch immer komplett im Training zu zweit. Die Entwicklung ging weiter und jetzt haben wir in der Jugend einen Vollzeit-Angestellten und einen Teilzeitangestellten, die auch mir bei den Profis zu- arbeiten. Außerdem unterhalten wir mit verschiedenen Schulen eine Kooperation, um Auszubildenden die Chan- ce zu haben, bei den Jahn Profis ein Praktikum zu absolvieren und so in den Profifußball reinzuschnuppern. Das ist mir per- sönlich sehr wichtig, denn we- nige haben die Möglichkeit, hier hinter die Kulissen zu blicken. Die Praktikanten hel- fen tatkräftig bei Massagen, bei der Regeneration und bei Behandlungen mit. So sind wir im Physioteam oftmals zu dritt und können so die Profis vor, während und nach dem Training optimal begleiten und behandeln. Wie sieht eine ganz normale Trainingswoche aus der Pers- pektive der Physio-Abteilung aus? Wenn wir einen Samstag-Spieltag haben, beginnt die Wo- che meistens am Dienstag mit Athletik-Training. Für uns bedeutet das, dass wir vor der Einheit die Blessuren behan- deln und versorgen, die länger andauern oder direkt aus dem vorherigen Spiel stammen. Die meisten melden sich dann oft am freien Tag am Montag bei mir und tragen sich für einen Termin ein. Daraus entsteht ein entsprechender Zeitplan für die jeweiligen Tage. Es gibt eine große Tafel in meinem Raum, der die komplette Woche abbildet und dort kann sich jeder Spieler mit seiner Nummer einfach eintragen. So können wir zwei bis drei Physiotherapeuten koordinieren, die sich die Spieler entsprechend einteilen. Außerdem gibt es immer wieder Problematiken, die akut am Tag auftreten. Dafür bleibe ich oft während des Trai- nings im Funktionsgebäude und behandle entsprechend, während die anderen Physiotherapeuten mit auf den Platz gehen und das Training betreuen. Wie sieht es dann am Spieltag aus? Der Spieltag besteht zum Einen aus der Organisation von Getränken zur Nahrungsergänzung. Seit 2017 arbei- ten wir mit NFT-sport aus Kelheim zusammen. NFT steht für Nutritional Finetuning – die Feineinstellung über die Ernährung. Caro Rauscher und Ihr Team stellen uns drei individuelle Sportgetränke zur Verfügung: Regi, Schlafi und Hüdro. Das muss man erst mal alles herrich- ten. Ansonsten wird am Spieltag viel getaped oder ver- sucht viele kleinere Geschichten zu optimieren. Ich bin mit dem Koffer am Platz, falls etwas passiert und mit dem Mannschaftsärzten für die Erstversorgung verant- wortlich. Im Nachhinein schaue ich mir dann die kleinen Blessuren an und reagiere beispielsweise mit einem Sal- benverband. Bei größeren Verletzungen sind unsere Ärzte gefragt und fahren oftmals mit den Spielern noch direkt in die Praxis, um zum Beispiel eine Ultraschalldiag- nostik zu machen. Für mich ist nach dem Spiel wichtig alle Behandlungstermi- ne auszumachen und falls Verlet- zungen sind kümmern sich die Mannschafsärzte um zügige Untersuchungen (Ultra- schall, Röntgen, MRT, CT) um eine schnelle Diagnose zu er- möglichen. 26 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Auf deiner Bank haben sich schon einige Spieler über Jahre behandeln lassen, wichtige Personen wie Marco Grüttner, Oli Hein oder Wastl Nachreiner. Wie war der Umgang mit ihnen? Kannst Du einen Umgang zur jüngeren Generation erkennen? Das ist eine schwierige Frage (schmunzelt). Ich würde sagen, das waren damals schon starke Charaktere. Im Vergleich zu den jüngeren Spieler haben sie viel mehr erlebt. Die Jüngeren wissen teilweise noch gar nicht, wie es im Profibereich zugeht. Und die Spieler, die genannt wurden, sind zweimal hinterei- nander und miteinander aufgestiegen. Sie sind zusammen- gewachsen und mit ihren Herausforderungen gewachsen. Die Erfahrung fehlt den jüngeren Spielern einfach noch. In meinem Fall können sie es auf jeden Fall besser beschreiben, wenn etwas mit ihrem Körper nicht stimmt, weil sie es viel- leicht schon einmal in der Vergangenheit erlebt haben. Sie wissen um ihre Blessuren, wo sie ihre Probleme haben und können das besser einschätzen. Ein junger Spieler kann es dir oftmals nicht genau beschreiben und einschätzen. Kommunikation ist ein sehr wichtiger Bestandteil deiner Arbeit. Im Vorgespräch musst Du herausfinden, wo genau es zwickt. Wie gehst Du dabei vor? Es geht zunächst in die Testung rein und du versuchst her- auszufinden, wo das eigentliche Problem liegt. Ich versuche durch Tasten gewisse Dinge auszuschließen und nach Auf- fälligkeiten zu suchen. Da wird man schneller und besser mit der Zeit. Die Erfahrung hilft dabei. Viele Dinge habe ich schon einmal gesehen und weiß, wo es herkommt. Dann kann ich gleich in die Behandlung gehen. Trotzdem gibt es Pro- blematiken, die sich schwer alleine mit der Physio therapie behandeln lassen und besser vom Arzt abchecken werden müssen. Ich kann mittlerweile die Zeiten sehr gut abschät- zen, wie lange die jeweilige Problematik benötigt, um zu ver- heilen. Beim Thema Kommunikation geht es natürlich dann auch darum, allen so schnell wie möglich eine Ausfallzeit zu kommunizieren, gerade bei schweren Verletzungen. Sofern ich die Diagnose habe, heißt es, Achim Beierlorzer anrufen, Trainerteam kontaktieren und alles schriftlich festhalten. Mir ist es auch wichtig, dann bald in die Mannschaft hinein zu kommunizieren und den Hinweis mitzugeben, sich gegebe- nenfalls beim verletzten Mitspieler zu melden. Als Physiotherapeut bist Du sehr nah an der Jahnelf dran, bist aber auch für das Trainerteam ein wichtiger Ansprech- partner. Besteht ein Interessenkonflikt und stehst Du in gewisser Hinsicht zwischen den Fronten? Man ist auf jeden Fall auf eine gewisse Art und Weise zwi- schen den Fronten, es geht auch gar nicht anders. Der Trainer möchte die Spieler so schnell wie möglich zurück im Kader haben und auch die Spieler haben ein persönliches Inte- resse daran. An mir und den Ärzten liegt es abzuschätzen, wann gewartet werden muss und wann man eine Schmerz- grenze überschreiten kann. Das kommt ganz auf die Verlet- zung an. Beispielsweise bei einem Schlag auf den Knöchel ist es zu verkraften, bei vielen muskulären Thematiken al- lerdings nicht. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, denn gibt man den Spieler zu früh frei, kann es zwar gut gehen, weil er nichts mehr spürt, jedoch auch bei einer falschen Bewe- gung schnell schlimmer werden. Dann fällt der Spieler noch viel länger aus. Das ist aber keine Entscheidung, die das Me- dizinische- oder Trainerteam trifft, es geht nur gemeinsam mit dem Spieler und die sind alle individuell. Manche gehen eher ins Risiko oder können mit dem Schmerz gut umgehen, andere wollen vom Arzt ein MRT oder ein Ultraschallbild, um sicher zu gehen. Das alles macht es umso komplexer. Um dieses Feingefühl zu entwickeln, braucht es wohl Er- fahrungswerte. Wie schätzt Du die Bedeutung von Erfah- rungen in der Physiotherapie ein? Je mehr du gesehen, ertastet und behandelt hast, desto besser kannst du die unterschiedlichen Verletzungen abschätzen. Ich werde da aber immer wieder überrascht. Manche Geschichten gehen viel schneller als erwartet, andere sind aber auch hart- näckiger als erwartet. Muskuläre Sachen richtig einzuschät- zen, ist für mich das Schwierigste in der Sportphysiotherapie. 27 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Über die Jahre hast Du mit vielen Spielern zu tun gehabt, die tagtäglich auf deiner Behandlungsbank Platz nehmen. Welche Verbindung hast Du zu deinen Patienten? Allen Physios, die hier neu beginnen, sage ich immer, dass es wichtig ist, dass die Themen, die beim Physiotherapeu- ten angesprochen werden, auch hier im Raum bleiben. Die Spieler klagen auch mal, das ist völlig menschlich und gut, dass es einen solchen Safe-Space für sie gibt. Es ist auch eine kleine psychologische Sprechstunde nebenbei (lacht). Und umso schöner ist es dann, wenn man merkt, dass man eine Verbindung zu diesen Spielern aufbaut, dass man dann auch vielleicht einmal privat etwas unternimmt. Das heißt beispielsweise, auch mal eingeladen zu werden, die Kinder und die Frau kennenzulernen oder dass sie meine Privat- praxis an Freunde und Bekannte empfehlen. Das ist ein sehr großes Kompliment an das, was ich mache. So baut man eine Verbindung auf und das ist total schön zu sehen. Wir harmo- nieren miteinander und dann noch privat. Wie gesagt, sich mal zu treffen, die Kinder zu lernen, mal gemeinsam Abend- essen zu gehen, das macht es dann natürlich auch aus. Also es herrscht auf jeden Fall eine enge Verbindung vor, die mit den Emotionen des Fußballs noch stärker erlebbar ist als ir- gendwo anders. Das macht echt Spaß. Also gilt das Handyverbot immer noch. Das Handyverbot im Behandlungsraum gilt auf jeden Fall im- mer noch (lacht). Warum ist das wichtig? Ich finde, man sollte demjenigen gegenüber Respekt zollen und Aufmerksamkeit schenken, der dich behandelt, der sich Zeit nimmt für dich, der sich mit dir und deinem Körper be- schäftigt. Deswegen ist das für mich ein absolutes No go auf der Behandlungsbank. Wenn du dich therapieren lässt, hast du nicht am Handy zu spielen. Es wird allen verwehrt, egal ob jung oder alt, Kapitän oder Jugendspieler und es versteht auch jeder. Welche Problematiken oder Verletzungen treten am häu- figsten auf und wie werden sie behandelt? Am häufigsten sind definitiv muskuläre Problematiken, gar nicht unbedingt Verletzungen, sondern eher kleinere Pro- bleme. Die Spieler sagen öfter: Mein Oberschenkel macht zu. Es zieht im vorderen Bereich. Ich fühle mich am Platz draußen nicht ganz wohl. Das kommt häufig vor. Wenn es nicht gleich therapiert wird und es dann mal scheppert, kann schlimmeres passieren. Bei solchen Geschichten gibt es un- zählige Herangehensweisen. Ein Beispiel: Zunächst schaue ich mir das Becken an, ob es "gerade" steht und sich normal bewegt. Sehe ich dort eine Läsion, versuche ich diese aufzu- lösen. Ich nehme gerne das Nervensystem mit und versuche, das Nervensystem zu mobilisieren, die Arterien und Venen zu behandeln. Wenn sich beispielsweise der Oberschenkel zu fest anfühlt, fasse ich ihn eigentlich nie direkt an, son- dern beschäftige mich mit allem drumherum. Ich versuche, die Zuflüsse und Abflüsse des Muskels zu öffnen. Sobald der Muskel dadurch wieder genug versorgt wird, funktioniert er oftmals wieder einwandfrei. Du setzt nicht nur Methoden aus der Physiotherapie ein, sondern hast dich in vielen Bereichen spezialisiert. Welche Rolle spielen alternative Heilmethoden? Akupunktur ist natürlich ein großes Thema. Ich lerne auf Basis der Traditionellen Chinesischen Medizin. Damit lässt sich zum Beispiel auch Migräne behandeln. Mit gewissen Akupunkturpunkten, die entlang der Meridiane im Körper verlaufen, lassen sich viele Verspannungen oder Proble- matiken lösen. Auf den Fußball bezogen, fand ich es sehr spannend zu sagen: Okay, ich habe vorne am Oberschen- kel eine Problematik, dann gibt es dort einen Meridian, also eine Energie-Laufbahn und die geht über den Oberschen- kel. Dann kann ich die Punkte einerseits behandeln, kann aber auf der anderen Seite auch die korrespondierende Achse, die dann am Oberkörper liegt, behandeln. Außerdem gibt es einen Meisterpunkt für Muskulatur und Sehnen. Den kann man dann mit der Akupunktur-Nadel stechen, wenn zu viel Spannung auf der Muskulatur lastet. Bei einem festen Oberschenkel kann man die Nadel nehmen und sie immer wieder in die hypertone Muskulatur stechen sog. Dry Need- ling, sodass sich diese Spannung löst. Das merkt man auch direkt. Verändern die vielfältigen Ausbildungen und Fortbildung auch deine Perspektive auf die Physiotherapie? Das passiert ganz automatisch. Je mehr Fortbildungen du ge- macht hast, desto mehr Ideen entwickelst du, gewisse Dinge anders zu behandeln. Es gibt einem einen größeren Werk- zeugkasten. Früher gab es nur die Massage, um Muskeln zu lockern, heute schaue ich mir die Arterien, das Nervensystem oder die Beckenstellung an. Jetzt hatten wir einen Kurs, der ganz explizit das Nervensystem behandelt. Es sind so viele Ideen vorhanden. Ich kann mir immer genau überlegen, was jetzt die beste Therapie für das Problem ist. 28 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Bei der Physiotherapie geht es aber auch darum, Verlet- zungen vorzubeugen und die Leistung zu optimieren. In- wiefern spielt das eine Rolle? Ich habe viele Spieler, die zu mir kommen und sich das Becken einstellen lassen. Hinzu kommen viele präventive Punkte. Wenn es sich um einen Bänderriss handelt, fehlt der Spieler rund drei Wochen, das ist klar. Aber es gibt viele Thematiken und Blessuren unter der Woche, wo wir uns nicht ganz sicher sind und die wir dann aber positiv beeinflussen können. Das ist das Hauptthema. Um die Leistungsfähigkeit unserer Spie- ler zu steigern und sie optimal vorzubereiten, unterhalten wir deshalb auch seit vielen Jahren die bereits erwähnte Koopera- tion mit Caro Rauscher und ihrem Unternehmen NFT-sport, die sich auf die Feineinstellung von Athleten durch die Ernährung spezialisiert haben. Beim SSV Jahn nutzen wir das hauptsäch- lich über drei Getränke: den Regi, den Schlafi und den Hüdro, der aber nur am Spieltag zum Einsatz kommt. Das Hüdro-Ge- tränk besteht aus schnellen und kurzkettigen Kohlenhydraten und speziellen Elektrolyten. Das beginnt man rund eine Stun- de vor dem Spiel zu trinken. In Studien wurde nachgewiesen, dass die für Leistungssport so wichtigen Kohlenhydrate inner- halb von zehn Minuten im Blut ankommen. Vor allem in den Schlussminuten ist es für die Art, wie wir als SSV Jahn Fuß- ball spielen wollen, mit aggressiven Anlaufen und intensiven Zweikämpfen, enorm wichtig, das Level zu halten, damit wir keinen Leistungsabfall erleiden. Den Regi und Schlafi geben wir den Spieler dreimal pro Woche nach den intensiven Trai- ningseinheiten und nach dem Spiel. Beide werden zusammen eingenommen. Der Regi besteht aus Kohlenhydraten, Eiweiß und wieder Elektrolyten. Dieses Getränk soll bestenfalls sofort im Open-Window getrunken werden. Das Open-Window be- zeichnet ein Enzym im Körper, das nach der sportlichen Belas- tung in sehr großer Form im Körper vorhanden ist. Das Enzym sorgt dafür, dass alles, was in diesem Zeitraum eingenommen wird, sofort in der Muskulatur ankommt. Mit dem Regi füllen unsere Spieler so ihren Kohlenhydratspeicher und die nötige Eiweiß Zufuhr wieder auf. Der Schlafi soll optimalerweise vor dem Schlaf eingenommen werden. Das Getränk wirkt wie eine Infusion, die die ganze Nacht die Muskelzellen mit Eiweiß ver- sorgt, sodass der Körper die Regeneration nicht stoppt. Wie bist Du in die Zusammenarbeit mit Caro Rauscher in- volviert? Wir stimmen uns immer wieder sehr intensiv ab , bei Unver- träglichkeiten von Spielern beispielsweise. Sie ist ein wandeln- des Lexikon in diesem Bereich und verfügt über eine heraus- ragende Expertise. Alles, was Ernährung angeht, ist sie für mich die absolute Expertin, weil sie die Biochemie dahinter und die Zusammensetzung der unterschiedlichen Produkte so gut ver- steht. Auch bei der Ernährung und der Erstellung des Speise- plans ist sie mit involviert und alles wird mit Caro Rauscher ab- gestimmt. Wir bereiten für jeden Spieler individuelle Pläne vor, Match-Day-Minus-1 nennt sich das. Diese werden auf Grund- lage beispielsweise von Gewicht, Größe, der Laufleistung und der Position erstellt. Sie rechnet aus, wie viel Kohlenhydrate der Spieler am Tag vor dem Spiel zu sich nehmen soll. Sie ist da für mich die Nummer eins Ansprechpartnerin, bei allem, was Er- nährung, Biochemie und Regeneration angeht. Gibt es in der derzeitigen Jahnelf Spieler mit gewissen Ticks und Besonderheiten im Umgang mit ihrem Körper? Momentan würde ich hier Rasim Bulić nennen. Zum ersten Spiel der Saison hatte er eine kleine Problematik an der Hand. Ich habe sie ihm getaped und seitdem tat er das im- mer. Präventiv will er das nun auch am Knie. Da ist auf jeden Fall ein gewisser Aberglaube mit dabei, aber wir tun alles, da- mit sich die Spieler besser fühlen und damit optimal auf die Belastung vorbereitet sind. Wir wollen ihnen ermöglichen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. ag " Je mehr du gesehen, ertastet & behandelt hast, desto besser kannst du die unterschiedlichen Verletzungen abschätzen." Eine hochwertige medizinische Betreuung ist für einen professio- nellen Fußballverein inzwischen unerlässlich. Der SSV Jahn darf sich glücklich schätzen, mit dem Physiotherapeut Tobias Rutzin- ger, den Ärzten von Sportdoctors sowie des Krankenhauses Barm- herzigen Brüder und den Physiotherapeuten von Physiotherapie Brummer & Günther absolute Fachleute auf ihrem Gebiet für sich gewonnen zu haben. 29 JAHNZEITAUSGABE APRIL 2024Next >